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210 - Unter dem Vulkan

210 - Unter dem Vulkan

Titel: 210 - Unter dem Vulkan
Autoren: Ronald M. Hahn
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trat an die andere Seite des Bettes. Almira zitterten die Knie, und ihr unschuldiges Herz fing an zu wummern. »Du bist wunderschön«, sagte Maitre Magnan. »Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich mir nicht die Zeit genommen hätte, dich vor deinem Tod noch einmal zu sehen.«
    »Vor meinem…« Almira versagte die Stimme. Sie wich zurück. Ihr Herz setzte kurz aus, dann pochte es doppelt so schnell weiter.
    Kurz war der Gedanke übermächtig, vor ihm auf die Knie zu sinken und ihn um Vergebung anzuflehen. Maitre Magnan hatte alle Macht über sie. Weder Onkel Jules noch der Kaiser konnte ihn jetzt noch daran hindern, sie seinem vermaledeiten Götzen zu opfern.
    Aber dann blieb sie trotzig stehen. Nein, sie würde sich nicht vor ihm erniedrigen! Um Beherrschung kämpfend, schloss sie die Augen und sandte ein Stoßgebet aus, das ihr Kraft geben sollte.
    Plötzlich fühlte sie sich an den Oberarmen gepackt. Als sie die Augen wieder aufriss, war das Gesicht des Propheten nur noch eine Handlänge vor ihr. Er schaute sie an. Ein Lächeln lag um seine Lippen. Er hatte einen schönen Mund…
    »Ich bin wirklich sehr überrascht von dir«, raunte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Du bist stolz und standhaft, das muss ich dir lassen. Was hältst du von einem kleinen Geschäft?«
    »Von einem… was?« Almira machte große Augen.
    »Ich könnte dich und deine beiden Begleiter verschonen, wenn du mir zu Willen bist.«
    »Zu… Willen?« Almira glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.
    Konnte es wahr sein? War das der Mann, vor dem Onkel Jules und die Bevölkerung zitterten? Der Mann, der am Thron des Kaisers sägte? Dem man prophetische Kräfte zuschrieb?
    War dieser Mann tatsächlich so dumm zu glauben, dass sie auf dieses Geschwätz hereinfiel? Wer sollte ihn denn daran hindern, ihr den Himmel zu versprechen und sie dann doch in Orguudoos Reich zu schicken? Er gebot über ihr Leben und das ihrer Freunde! Er brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, um den Henker zu rufen!
    Ihre Wut entlud sich in einem heftigen Schlag, der seine Wange traf. Der Prophet schrie auf und ließ Almira los.
    »Verdammte Metze!« In seinen Augen standen Schmerzenstränen, die seine Wut noch mehr anstachelten.
    Almira wich zurück, bis ihre Kniekehlen gegen die Bettkante stießen und sie das Gleichgewicht verlor.
    Und schon lag sie rücklings auf dem Bett. Sie sah das triumphierende Blitzen in den Augen des Feindes, der nun, voller Hass und die Arme ausgebreitet, auf sie zukam.
    Almira handelte, bevor es zu spät war: Sie stieß sich vom Bett ab und kam auf die Beine, suchte und fand ihr Gleichgewicht und trat dem Mann, in dessen Augen zu lesen war, dass er sie nun mit Gewalt nehmen würde, ansatzlos und mit aller Wucht in den Schritt.
    »Oooaaahhhh…« Der Prophet verdrehte die Augen, griff sich an den Unterleib, sackte zusammen und wand sich am Boden.
    »Mich kriegst du nicht«, fauchte Almira. »Da stürze ich mich lieber freiwillig in die Lava!«
    Maitre Magnans Wimmern war laut genug, um Doctorus Noah und die Posten zu alarmieren, die vor der Tür wachten.
    Ihre Augen weiteten sich, als sie die Bescherung sahen.
    Almira wusste nicht, woher sie den Mut nahm, als sie auf den Propheten wies. »Euer Prophet ist ein Schlappschwanz. Ich hoffe, er singt ab heute im Eunuchenchor mit.«
    Die Wahrheit, dachte sie, hat noch keinem geschadet –
    ausgenommen dem, der sie ausspricht…
    ***
    Nach einer Nacht in einer Zellenhöhle erfuhr Almira, dass es noch demütigendere Momente im Leben einer Entrechteten gab: Am Morgen wurde sie ohne Frühstück in einen mannshohen Käfig gesperrt, der auf einem Karren stand. Ein Tuch wurde darüber gebreitet, damit sie nicht sah, wohin man sie brachte.
    Der Karren wurde von schnaufenden Sklaven durch kühle Höhlengänge gezogen. Irgendwann endete der Weg in einer Art Grotte. Almira spürte einen atmosphärischen Wechsel: Große Räume hallten anders als engen Gänge; zudem vernahm sie das Rascheln von Kleidern und das Knirschen von Stiefeln auf mit Sand begradigtem Boden.
    Dann hörte sie einen langsam anschwellenden Sprechchor, der hasserfüllt ihren Tod verlangte.
    Es lief ihr so eiskalt über den Rücken, dass sie auf den Boden des Käfigs sank und sich fragte, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, Maitre Magnans Angebot erst auszuschlagen und dann auszutreten. Vielleicht hätte sie ihn ja doch für sich einnehmen können…
    Aber nein, Unsinn! Er hätte sie benutzt und weggeworfen.
    Nicht zweifeln!,
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