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2004 - Im Bann der NACHT

Titel: 2004 - Im Bann der NACHT
Autoren: Unbekannt
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die lautlose Stimme, die dennoch sein ganzes Bewußtsein erfüllte und es zum Platzen zu bringen drohte. Sie hallte in jedem Winkel seines Seins.
    „Willst du dich für die gute oder die böse Seite entscheiden?" Immer wieder. „Du hast nicht mehr viel Zeit. Triff jetzt deine Wahl!"
    Er sah plötzlich ein Totengesicht vor sich, einen Totenkopf, der die ganze Kabine ausfüllte. Der Skelettkopf schickte ihm ein teuflisches Grinsen entgegen und wiederholte die Frage. Garron übergab sich und wälzte sich in dem Erbrochenen. Immer noch das Licht, immer noch die Qualen und immer noch, immer wieder diese Frage. Er konnte nicht vor ihr fliehen. Er konnte die Stimme nicht abstellen. Sie wartete auf eine Antwort.
    Vincent Garron rang nach Luft. Er glaubte, sein Herz müsse aufhören zu schlagen. Er lag allein hier in seiner Kabine, dem furchtbaren Licht, der bohrenden Frage und dem Totenschädel ausgesetzt, und kämpfte um den Rest seines Verstandes.
    „Welche Seite wählst du, Vincent?" fragte der Dämon.
    Alle ließen sie ihn im Stich. Niemand kam, um ihn aus dieser Hölle zu befreien. Er begann, sie dafür zu hassen, und als die Stimme wieder fragte, brüllte es geradezu aus ihm heraus, als ob eine fremde Kraft aus ihm schreien wolle.
    „Das Böse!" schrie er. „Ich habe keine Freunde, nur Feinde! Die gute Seite tut nichts, um mich zu retten! Also wähle ich die andere!"
    „Für immer und ewig, Vincent?"
    „Für immer und ewig", krächzte er.
    „Dann weißt du, was du zu tun hast", sagte die Stimme. Der Totenschädel verblaßte, und Garron hatte das Gefühl, daß er ihn zum Abschied triumphierend angrinste. Aber das war ihm jetzt gleichgültig.
     
    *
     
    Endlich erlosch das furchtbare Licht. Vincent Garron lag auf dem Boden und atmete flach. Dann richtete er sich langsam auf und hatte rote Schlieren vor den Augen.
    Als er sich im Spiegel der Hygienezelle betrachtete, sah er, daß seine Augen bluteten. Zahlreiche feine Äderchen mußten geplatzt sein.
    Aber das änderte nichts an der Tatsache, daß er seine ganze Umgebung plötzlich in Farben sah! Er, der Monochrom-Mutant, erlebte seine ureigenste Umwelt zum erstenmal seit Jahren farbig. Dieses Erlebnis war ihm schon des öfteren teilweise vergönnt gewesen, aber niemals in dieser umfassenden Konsequenz und niemals mehr als in einem Ausschnitt der Realität.
    Und jetzt sah er alles in Farbe. War das Zufall, hatte es mit dem Transport der SOL zu tun, oder war es die Folge seines Bekenntnisses zur sogenannten bösen Seite?
    Die letztere Möglichkeit erschien ihm zunächst sehr abwegig, aber je mehr er darüber nachdachte, desto schlüssiger erschien es ihm. Könnte es einen besseren Beweis geben, daß die böse Seite seine wahre Natur widerspiegelte? Die des Todesmutanten Vincent Garron?
    „Nein", sagte er, nachdem er sich in der Hygienekabine gründlich gesäubert und Zeit zum Nachdenken gefunden hatte. „Es ist ein Zeichen. Das Zeichen, daß ich mich für die richtige Seite entschieden und damit den richtigen Weg eingeschlagen habe. Ich werde sie alle töten - alle, die mir immer im Weg gestanden haben oder mich mißbrauchen wollten. Alle, die in mir immer nur ein Werkzeug oder den Feind gesehen haben und nicht mich selbst - die gesamte Besatzung der SOL! Ich spüre, daß ich unbesiegbar bin. Meine mentale Kraft wird sie alle auslöschen - auch die, die sich für unsterblich gehalten haben..."
    Dann ging er in seine Kabine zurück, setzte sich auf den Boden und konzentrierte sich. Seine geistige Konzentration wirkte rasch. Garron spürte, wie sich eine Art Aura bildete, die sich ausweitete und immer mehr Räume, Gänge und technische Anlagen erfüllte. Er erreichte jedes Besatzungsmitglied, seine geistigen Finger tasteten nach den Bewußtseinen.
    Er übte Druck auf sie aus. Die meisten Besatzungsmitglieder litten unter den Spätfolgen des großen Sprungs, sie waren entweder noch bewußtlos oder noch nicht bei vollen Kräften. Garron hielt ihre Bewußtseine im geistigen Würgegriff, den er immer weiter anzog.
    Seine geistige Tätigkeit sollte der Beginn des Endes des Generationenraumschiffs und seiner Besatzung sein.
     
    3.
     
    Nacht-Acht
     
    Crom und Yessim hatten acht Seg voneinander getrennt verbringen müssen. Nur über den Interkom hatten sie sich manchmal unterhalten dürfen.
    Crom hatte die Strafe ohne Murren auf sich genommen, aber in seiner Klause waren neue Pläne in ihm gereift. Er fieberte einerseits dem Tag entgegen, an dem er und Yessim endlich
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