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2004 - Im Bann der NACHT

Titel: 2004 - Im Bann der NACHT
Autoren: Unbekannt
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deshalb so hießen. Gleichzeitig stellten sie vibrationsempfindliche Rezeptoren dar. Außerdem unterstützten sie die Verständigung. Das Wedeln bedeutete Ablehnung.
    „Etwas viel Besseres, Yessim! Ich will nach Nacht-Acht 1! Ich will die geheimnisvollen Eunuchen sehen. Ich will wissen, was sie tun und was sie so wichtig macht."
    Crom sprach noch schneller als sonst. Die Tentakel zitterten vor Erwartung und sanken nach unten, als er das entsetzte Gesicht seines Freundes sah.
    „Nach Nacht-Acht 1?" Yessim sprang auf und begann, aufgeregt im Zimmer auf und ab zu gehen. Als er wieder bei Crom war, sagte er: „Niemals! Das ist viel zu gefährlich! Wenn du unbedingt dorthin gehen willst, dann gehe ohne mich! Ich komme nicht mit!"
    „Warte! Wir können uns einigen. Ohne dich gehe ich nicht, das weißt du. Du bist mein einziger Freund!
    „Das stimmte. Die Mom'Serimer übertrugen ihre Isolation in der NACHT mittlerweile auch auf ihre Privatsphäre. So war es nicht immer gewesen, wenn man den Erwachsenen glaubte. Aber es herrschten Zweierbeziehungen vor, und wer nach erfolgter Geschlechtsreife als Mann und Frau zueinandergefunden hatte, der blieb mit seinem Partner ein Leben lang zusammen - ein kurzes Leben lang.
    Dabei spielte es keine Rolle, ob die Geschlechtsmerkmale wieder verschwanden und zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehrten, in unvorhersehbarer Ausprägung. Die Mom'Serimer waren hermaphroditische Wesen, geschlechtslos bis zu dem Tag, an dem sich herausstellte, ob sie Mann oder Frau waren. Und das konnte sich einige Male in ihrem Leben ändern.
    „Welchen verrückten Vorschlag hast du denn noch?" fragte Yessim Shrankangard.
    „Nacht-Acht 2! Die Anlagen zur Energieversorgung!"
    „Hör bitte auf!"
    „Dann Nacht-Acht 3! Aber das ist mein letztes Angebot!"
    Yessim schwieg. Für einen Mom'Serimer schwieg er ungewöhnlich lange.
    Dann endlich stimmte er zu. Schweren Herzens und wenig überzeugt, aber er tat es um ihrer Freundschaft willen, um Crom nicht zu enttäuschen.
    „Danke!" rief Crom und schnatterte wild drauflos: „Wir werden sehen, wie die Aufbereitungsanlagen für unser Wasser, unsere Nahrung und unsere Luft funktionieren! Und vielleicht sehen wir dabei auch einen Eunuchen! Unsere Welt ist voller Wunder, Yessim, wir müssen sie nur entdecken, bevor unsere Seelen in die NACHT eingehen! Du wirst es nicht bereuen!"
    „Ich bereue es jetzt schon", sagte Yessim.
     
    *
     
    Sie aßen mit Croms Eltern zu Abend. Croms Vater sprach das Tischgebet, das zu jeder Mahlzeit gesprochen wurde. Er sagte es sogar ausgesprochen langsam auf.
    „Heilige NACHT, wir danken dir für das, was du uns bescherst. Heilige Vorfahren, wir danken euch dafür, daß ihr in den Kreislauf des Lebens zurückgekehrt seid und uns das Leben möglich macht, so, wie wir es unseren Kindern und Kindeskindern ermöglichen werden."
    Crom dachte an diesem Abend lange über den Sinn dieser Worte nach. Bisher hatte er sie nur wahrgenommen, ohne sie zu reflektieren.
    Nun aber brachte er sie in Zusammenhang mit der Aufbereitungsanlage. Wenn sein kühner Verdacht stimmte, war mit dem Gebet gemeint, daß die toten Körper der Vorfahren in ihr zu neuer Nahrung für die Lebenden umgewandelt wurden.
    Bald würde er es genauer wissen! Er wartete mit Yessim, bis er seine Eltern zu Bett gehen hörte. Dann ließen sie noch eine Weile verstreichen, bevor sie leise die Tür öffneten und sich über den langen Korridor aus der Wohnung schlichen. Die Wohnungstür war nicht verriegelt. Es gab keine Kriminalität in Nacht-Acht, also auch keine Einbrecher.
    Crom war aufgeregt. Vielleicht würde das ihr letztes großes Abenteuer werden, bevor sie eingeschult wurden. Und dann hatten sie nicht mehr die Zeit dazu. Er aber wollte wissen, was sein Vater ihm nicht erzählte.
    Sie schlichen im Kunstlicht die Gänge und Korridore entlang, die zur Hochdruckbahn führten. Sie benutzten die Antigravlifte, bis sie die zentrale Etage erreicht hatten, auf der - aus welchen Gründen auch immer - die höchste Schwerkraft herrschte. Crom stand wie unter Strom, und so bewegte und so sprach er auch. Yessim blieb nichts anderes übrig, als sein Tempo zu halten und ihn hin und wieder zu bitten, es zu drosseln.
    Es waren ihnen bisher keine Erwachsenen begegnet. Um diese Zeit herrschte Ruhe in Nacht-Acht. Es gab zwar keine Sonne und keinen Mond, die den Mom'Serimern ihre Gezeiten vorschrieben, aber der anscheinend uralte Rhythmus wurde auch heute noch beibehalten - solange sich
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