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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren
Autoren: Jules Verne
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Explosion warf die Nautilus etwas zur Seite. Das Schiff sank schneller. Der menschengefüllte Mastkorb zog an uns vorbei, dann das Gebälk voll schwarzer Trauben, dann die höchste Spitze des Hauptmastes und dann kamen nur noch schwarze kleine Leichen hinterher, die die Wirbel in den Grund nachrissen.
    Als das zu Ende war, ging der Kapitän mit unsicheren Schritten auf die Tür seines Zimmers zu, drang ein, warf sich nieder und sein schwerer Leib wurde von Schluchzen geschüttelt.

29. Kapitel
    Die Läden fuhren vor die Fenster, aber im Salon blieb es dunkel. Ich stürzte davon, durch die Dunkelheit und durch das Schweigen im Schiffsinneren, bis in mein Zimmer, wo Ned Land und Conseil noch immer saßen. Grauen vor dem Kapitän hatte mich gepackt, ich konnte nicht sprechen. Die Nautilus zog nordwärts, das war an diesem Tag das Letzte, was ich den Instrumenten entnehmen konnte, danach standen sie still. Ich spürte die hohe Geschwindigkeit, mit der wir durch den Atlantik nach Norden fuhren, aber ich verlor die Orientierung über die Küsten, die wir streiften, über die Gewässer und über die Folge von Tag und Nacht. Ich schätze, dass dieses Stürmen, diese Flucht nach der Rache 20 Tage dauerte, aber ich kann mich irren und ich weiß nicht, wie lange es so weitergegangen wäre, hätte nicht die Katastrophe diese Reise beendet.
    Nicht ein Mann der Besatzung ließ sich blicken, auch der Kapitän blieb unsichtbar. Wenn wir Luft nahmen, öffneten und schlossen sich die Luken automatisch. Das Auftauchen dauerte immer nur kurze Zeit. Nauron respoc lorni virch wurde nicht mehr gesprochen. Niemand maß die Stundenwinkel. Keiner trug unsere Position auf der Karte ein. Innen und außen herrschte Verlassenheit vor. Wir näherten uns dem Ende. Auch Ned Land machte sich selten. Nach allem, was Conseil mir von ihm erzählte, musste ich fürchten, dass er gemütskrank geworden war. Conseil fürchtete, er werde Selbstmord begehen.
    Als ich eines Morgens nach quälendem, krampfhaftem Schlaf mit Kopfschmerzen erwachte, sah ich Ned Land über mich gebeugt.
    Er flüsterte: »Wir fliehen.«
    »Wann?«
    »Heute Nacht. Die Überwachung an Bord hat anscheinend aufgehört. Das ganze Unternehmen hier macht mir einen verstörten Eindruck. Sind Sie dabei?«
    »Ja. Wo befinden wir uns?«
    »Ich weiß nicht. Aber ich habe heute ganz früh beim Luftholen Land gesehen. 20 sm entfernt. Was für Land, weiß ich nicht. Aber wir schaffen es bis dahin.«
    »Ja. Wir schaffen es. Und selbst wenn uns das Meer umbringt: Ich will heute fliehen«, sagte ich.
    »Die See ist rau, der Wind ist stürmisch, aber wir haben ein gutes Boot. Lebensmittel und Wasser habe ich schon hineingeschafft.«
    »Ja. Das ist gut. Das ist das Richtige. Ich bin dabei.«
    »Wenn sie mich schnappen, hau ich mich bis zum letzten Blutstropfen, Monsieur.«
    »Ja, Meister, ich bin dabei. Dann sterben wir eben zusammen.«
    Dieser letzte Tag an Bord wurde mir lang. Um 18.30 Uhr kam Ned Land noch einmal in mein Zimmer, wo ich auf dem Bett lag, und sagte: »Wir sehen uns bis zur Abfahrt nicht mehr, Monsieur. Sie sind um 22 Uhr am Boot. Der Mond ist dann noch nicht aufgegangen, wir nutzen die Dunkelheit. Klar?«
    »Klar.«
    Ich ging darauf in den Salon und sah mir alle die Kästen und Schaustücke, die er enthielt, noch einmal an, die prachtvollen Schätze, die mit ihrem Besitzer in den Tiefen des Meeres zugrunde gehen würden … eines Tages …
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück, legte feste Kleidung an und verbarg meine Notizen an meiner Brust. Ich fühlte dabei mein Herz klopfen. Jetzt durfte mich Nemo nicht sehen, an meiner Aufregung hätte er alles erkannt. Ich trat an die Tür zu seinem Zimmer und horchte: Schritte. Er war darin. Er lag nicht im Bett. Bei jedem Schritt schien mir, er käme auf mich zu, die Tür werde sich öffnen, er werde dort stehen, mich ansehen und fragen: Warum fliehst du? Meine Vorstellungen setzten mir immer stärker zu, vergrößerten die Gefahr, indem sie die Sinneseindrücke vergröberten, und es gab einen Augenblick, in dem ich in Versuchung war, die Tür aufzureißen, zu ihm hinzutreten und ihm ins Gesicht zu sehen, mit aller Entschiedenheit, mit allem Trotz.
    Ich warf mich aufs Bett, um diesem verrückten Einfall nicht nachgeben zu müssen. Ich wurde ruhiger, meine Nerven entspannten sich so weit, dass ich in einen bilderreichen Halbschlaf fiel, in dem die Szenen meines Aufenthalts an Bord wie Theaterkulissen über die Bühne meines Bewusstseins getragen
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