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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren
Autoren: Jules Verne
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sm von Heart’s Content entfernt und beobachteten in einer Tiefe von 2 800 m das Transatlantikkabel. Das erste dieser Kabel wurde 1857/58 gelegt und lebte 400 Telegramme lang. 1863 sollte ein neues Legen angehen, aber der Versuch scheiterte. Warum, sahen wir am 25. Mai, 636 sm von der irischen Küste entfernt, in einer Tiefe von 3 836 m: Dort war das Kabel gerissen. Man fischte damals das Ende wieder heraus, spleißte es mit dem nächsten Ende zusammen und legte von Neuem, aber dann riss das Kabel wieder und konnte nicht mehr aus dem Meer gefischt werden.
    Cyrus Field, der sein ganzes Vermögen der Kabelsache zur Verfügung gestellt hatte, verlor den Mut nicht. Eine neue Subskription wurde überraschend gut gezeichnet und jetzt wurde ein Kabel in Gummihülle verfertigt, darum ein Stoffpolster und darum noch eine Metallhülle. Am 13. Juli 1866 stach die Great Eastern wieder in See.
    Diesmal verlief die Operation gut – bis die Ingenieure entdeckten, dass zuweilen Nägel in bestimmten Abständen im Kabel staken. Kapitän Anderson aber reagierte sofort. Er ließ verkünden, dass er den Saboteur, wenn er ihn erwischte, ohne Weiteres über Bord gehen lassen würde, und die Nagelei hörte schlagartig auf. Am 27. Juli erreichte die Great Eastern den Hafen von Heart’s Content und das junge Amerika schickte dem alten Europa die so selten verstandene Weisheit »Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens« als erstes Telegramm.
    Wir folgten dem Draht auf dem Hochplateau unter Wasser und sahen, dass es glücklich ausgewählt war: Nirgends brachten schroffe Abgründe das Kabel in die Gefahr zu reißen. Am 28. Mai befand sich die Nautilus nur noch 150 km von Irland entfernt. Den täglichen Manövern war nicht zu entnehmen, was Nemo mit seinem Schiff vorhatte. Am 31. Mai streiften wir die Kanalmündung, aber ich konnte nicht glauben, dass Nemo sich in diesen Schlauch wagen würde. Den ganzen Tag lang beschrieb er Kreislinien auf dem Wasser, als suche er nach etwas, das er auf dem Meeresgrund verloren hatte. Am 1. Juni setzte er diese Bewegungen fort. Er kam öfter selber auf die Plattform und nahm die Position auf, ließ sich aber nicht ansprechen. An diesem Mittag lag das Meer vollkommen ruhig, und als Nemo den Sextanten absetzte, sagte er klar und deutlich: »Hier.«
    Er stieg hinab, ich folgte, wir tauchten. In 830 m Tiefe bekamen wir Grund. Im Salon ging das Licht aus, die Fensterwände glitten zurück. Das Meer war vom Scheinwerfer erleuchtet. Ich sah hinaus. Zu unserer Linken bildete der Boden eine bizarre Erhöhung, die ich zunächst für eine Ruine hielt, von weißen Muschelschalen zugeschneit, dann aber erkannte ich in der Masse die verdickten und vergröberten Formen eines Schiffes ohne Masten, das hier gesunken sein musste. Welches Schiff aber?
    »Früher hieß das Schiff Le Marseillais «, sagte plötzlich der Kapitän neben mir. Seine Stimme war seltsam kalt, er redete langsam, aber unendlich bestimmt. »Es trug 74 Kanonen und stach 1762 in See. Am 13. August 1778 lieferte es unter dem Kommando von La Poype-Vertrieux der Preston eine heldenhafte Schlacht. Am 4. Juli 1779 war es unter Admiral Estaing bei der Einnahme von Granada dabei. Am 5. September 1781 nahm es an der Seeschlacht des Comte de Grasse in der Bucht von Chesapeak teil. 1794 änderte die Französische Republik seinen Namen. Am 16. April desselben Jahres stieß es zum Geschwader von Villaret-Joyeuse, das eine Ladung Weizen aus Amerika begleitete, die der Admiral Van Tabel befehligte. Am 11. und 12. Prairial des Jahres 2 hatte es Feindberührung mit englischen Schiffen. Heute, Monsieur, am 1. Juni, ist der 13. Prairial und es ist genau 74 Jahre her, dass hier, unter 47° 24’ nördl. Breite und 17° 28’ westl. Länge, dieses Schiff nach heroischem Kampf seine drei Masten verlor, als das Wasser bereits in seine Räume drang, als ein Drittel der Mannschaft niedergeworfen war; es ist 74 Jahre her, dass es sich mit seinen 356 Mann und dem Ruf ›Es lebe die Republik!‹ lieber versenkte als dem Feind auslieferte.«
    »Le Vengeur!«, rief ich. »Der Rächer!«
    »Jawohl, Le Vengeur . Ein schöner Name.«
    Diese Art zu reden, das Unvorbereitete des Auftritts, der kalte Bericht von den patriotischen Taten des Schiffes, die Erregung, mit der die letzten Worte gesprochen wurden, der Name Vengeur: All das machte auf mich einen tiefen Eindruck. Ich konnte diesen Mann jetzt nicht mehr aus den Augen lassen, der dort stand
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