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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren
Autoren: Jules Verne
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wurden, der Schiffbruch, die Unterseejagd vor Crespo, die gefahrvolle Torrespassage, die Eingeborenen von Neuguinea, das betäubende Essen, der Korallenfriedhof, die Suesdurchfahrt, der kretische Taucher, die Bai von Vigo, Atlantis, der Südpol, der Kerker im Eise, Kraken, Golfstrom, Vengeur und Rache, und dieser Mensch Nemo wuchs sich zu einer übermenschlichen Gestalt aus, nicht irdisch, nicht von meiner Gattung, nicht meinesgleichen, ein Geist der Meere.
    Die Kopfschmerzen waren bis 21.30 Uhr unerträglich geworden, ich saß auf dem Rand meines Bettes und hielt mir mit beiden Händen den Schädel, damit er nicht zersprang. Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht mehr denken. Ich wollte nicht mehr warten.
    In diesem Augenblick hörte ich die Klänge der Orgel durch die eisernen Wände dringen. Die Musik, traurig, drang in meinen Kopf ein, füllte ihn, erlöste mich von der Spannung des Wartens und beruhigte meine Empfindungen. Aber dann durchfuhr mich ein eisiger Schreck: Nemo im Salon! Ich musste da durch, wenn ich zum Boot wollte! Er würde mich sehen. Würde er sprechen? Alles erkennen? Ein einziges Wort von ihm konnte mich für immer an Bord fesseln. Es war gleich 22 Uhr. Ich musste auf. Ich musste hinaus. Ich musste hindurch. Ich stand auf. Ich öffnete meine Tür. Ich ging durch den Gang, ich hielt an der Ecktür des Salons inne, um mein Herz zu beschwichtigen. Ich öffnete die Tür.
    Der Salon war dunkel, die Orgel ging sehr schwach, der Kapitän sah mich nicht. Ich ging mit ganz kleinen Schritten. Ich brauchte fünf Minuten, um den Salon zu durchqueren. Ich legte die Hand auf die Klinke der Tür zur Bibliothek. Da ging ein Seufzen durch den Raum. Ich drehte mich um. Ich sah Nemo. Er kam auf mich zu, schwebend fast, die Arme verschränkt. Ich sah ihn wie ein Gespenst. Ich sah ihn schluchzen. Ich sah ihn murmeln. Ich hörte die Worte »Mach-End-oh-Herr-mach-Ende.« Ich floh.
    »Kommen Sie!«, rief der Kanadier mit unterdrückter Stimme.
    Wir zwängten uns durch die untere Einstiegsluke ins Boot. Ned Land verschloss den Boden wieder mit dem Engländer, den er sich irgendwo an Bord gestohlen hatte. Er lockerte bereits die Schrauben, mit denen das Boot an der Nautilus festhing. Da hörten wir von unten Stimmengewirr. Waren wir entdeckt? Ich fühlte plötzlich, wie Ned Land mir einen Dolch in die Hand drückte.
    »Ja!«, flüsterte ich.
    Es wurde lauter unter uns und aus all dem Rufen schälte sich ein fürchterliches Wort heraus : Mahlstrom!
    Wir waren also an der gefährlichsten Stelle des Meeres, vor der norwegischen Küste, wo ein gigantischer Wasserwirbel alles in die Tiefe riss, was in seine Kreisbewegung geriet … dem ist noch nie ein Schiff entkommen, durchfuhr es mich, ein 15 km breites saugendes Feld, entstanden aus den Strömungen, die hier zusammenfließen, Schiffe verschlingend und Wale und Eisbären …
    »Wir müssen an der Nautilus dranbleiben«, rief Ned Land, als die Kreisbewegung begann. Der Strudel hatte uns gepackt. Wir wurden an die Wände des Bootes gepresst. Von draußen drang das Brausen des stürzenden Wassers zu uns, unter unseren Füßen brüllte die Nautilus mit der Kraft all ihrer Maschinen auf, um sich gegen den Zugriff des Meeres zu wehren.
    »Wir müssen die Schrauben wieder fest…«
    Da riss das Boot vom Leib der Nautilus ab und wurde in den Strudel hineingeschleudert. Ich schlug mit dem Kopf gegen die eiserne Bordwand und verlor die Besinnung.

30. Kapitel
    Damit war die Reise unter den Meeren zu Ende. Ich habe keine Erinnerung an die Nacht im Mahlstrom, ich weiß nicht, wie wir ihm entkommen sind. Als ich aus meiner Betäubung erwachte, lag ich in der Hütte eines Fischers von den Lofoten. Meine Gefährten knieten an meiner Seite. Wir umarmten uns.
    Wir können jetzt nicht gleich in unsere Heimat zurückkehren, die Schiffsverbindungen zwischen dem hohen Norden und der übrigen Welt sind spärlich. Ich muss das Dampfboot abwarten, das alle zwei Monate auf dem Weg zum Nordkap hier vorbeikommt. Ich sehe also durch, was ich mir von unseren Abenteuern notiert habe. Die Aufzählung ist vollständig, was ich durch Zahlenmaterial belegen konnte, habe ich belegt. Es wurde nichts ausgelassen, nichts übertrieben. Was vorliegt, ist der getreue Bericht einer Expedition in ein Element, das dem Menschen bisher nicht zugänglich war, das ihm der Fortschritt jedoch eines Tages erschließen wird.
    Aber wird man mir glauben? Ich weiß nicht. Das ist mir nach alledem auch gleichgültig. Ich
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