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2:0 für Oma

2:0 für Oma

Titel: 2:0 für Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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anzublicken.

    Der jugendliche, muntere Tankstellenbesitzer hob die Hand. „Ich bin dafür, daß Frau Pieselang an unserer Besprechung teilnimmt, weil sie ja diesen interessanten Vorschlag eingebracht und sicher noch mehr dazu zu sagen hat.“
    Der Bürgermeister wischte sich die Stirn. Er wollte es weder mit seinen Bauern noch mit Oma verderben. „Nun ja“, meinte er gequält, „wir können die Sache erst einmal kurz zusammen besprechen, aber für den endgültigen Entschluß müssen wir leider unter uns sein.“
    Er verbeugte sich leicht vor Oma.
    „Das verstehe ich“, sagte Oma liebenswürdig. „Aber ist mein Vorschlag nicht wirklich interessant?“
    Bauer Huber schüttelte seinen schweren Schädel. „Wer mag in unserem Ort schon italienisches Essen?“ murrte er. „Unsere Frauen kochen auf gute altdeutsche Manier, und so wollen wir es weiter halten.“
    „Aber wenn Besucher in den Ort kommen, brauchen wir ein Lokal“, meinte der Tankstellenbesitzer eifrig. „Und da die Autobahn jetzt in der Nähe vorbeiführt, dürfte das den Fremdenverkehr heben, was nicht unerwünscht wäre. Doch wo sollen Fremde in unserem Ort etwas zu essen bekommen?“
    „Wir brauchen keinen Fremdenverkehr“, brummte einer der Bauern. „Die Touristen stören hier nur, legen sich auf die ungemähten Wiesen, machen viel Lärm und bringen lockere Sitten mit — außerdem können sie ja im ‚Ochsen’ essen.“
    Oma seufzte. „Nun ja, sie könnten, wenn der Ochsenwirt nicht dreimal in der Woche seine Türen schließen würde, weil ihm wieder einmal seine Frau ausgerissen ist.“
    „Außerdem“, meinte der Tankstellenbesitzer, „gibt’s im ,Ochsen’ nie etwas anderes zu essen als das älteste Ochsenfleisch, zäh wie Leder und mit einer trüben Mehlsoße.“
    Oma nickte. „ Der ,Ochse’ macht seinem Namen alle Ehre.“
    Ein anderer Bauer räusperte sich. „Die Idee mit dem Lokal wäre gar nicht so schlecht, wenn die Leute nicht Italiener wären. Jeder Mensch weiß, daß Italiener faul und schmutzig sind.“
    Oma wurde nun ärgerlich. „Ach, wirklich? Und wer hat fleißig die Autobahn gebaut? Und wer arbeitet in der Spinnstoffabrik an den unerfreulichsten Plätzen fleißig und ordentlich? Sind das nicht unsere italienischen Gastarbeiter? Und schmutzig sollen sie sein? Fragen Sie mal den Hexer. Der Hexer wird Ihnen bestätigen, daß die Nonna, ich meine Großmutter Volpone, ihn mit ihrem Reinemachen mächtig geärgert hat. Das Häuschen, das wirklich ein Schandfleck für den Ort war, blitzt jetzt vor Sauberkeit.“
    „Sehn Sie, das ist es ja gerade“, brummte der Huberbauer, „die Italiener lassen sich mit dem Hexer ein, mit diesem üblen Burschen, mit dem kein Mensch im Ort etwas zu tun haben will. Die Italiener aber freunden sich mit ihm an und stecken jeden Tag vom Morgen bis zum Abend in seiner Höhle. Die gehören eben zusammen, diese Untermenschen. Aber einer von dieser Sorte reicht in unserm Dorf.“
    Bei dem Wort „Untermensch“ war Oma aufgesprungen. Kerzengerade stand sie vor den Bauern und sah sie mit funkelnden Augen an. „Diese ‚Untermenschen’ waren die einzigen im Ort, die einen hilflosen, kranken Mann wieder gesund gepflegt haben. Niemand von den ehrbaren Bauern und Bürgern hier hat sich um ihn gekümmert. Ihr hättet ihn ohne mit der Wimper zu zucken verkommen lassen!“
    So zierlich und klein Oma war und trotz des Hutes, der in der Erregung etwas verrutscht war, rauschte sie majestätisch wie eine Königin aus dem Saal, dessen Tür ihr der Tankstellenbesitzer ehrerbietig aufriß . Die Männer sahen ihr verdutzt nach.
    Aber trotzdem: Drei Tage später bekam Vater Volpone eine Ablehnung seines Gesuches: „Wir bedauern, Ihnen keine Aufenthaltsgenehmigung geben zu können!“
    Die Pieselang- und die Volpone-Kinder schimpften und weinten. Vater Pieselang riet, erst einmal Einspruch zu erheben, um Zeit zu gewinnen. Oma beruhigte die Kinder und beschloß, diese Zeit zu nutzen. An jedem Nachmittag stülpte sie jetzt den Hut auf den Kopf, nahm Handtasche und Schirm und ging „auf Besuch“. Den ersten machte sie bei der Huberbäuerin am frühen Nachmittag, als sie wußte, daß der Bauer noch auf dem Feld arbeitete. Die Bäuerin kochte gerade Pflaumenmus ein. Sie freute sich über Omas Besuch, stellte ihr eine Tasse Kaffee und ein stattliches Stück Napfkuchen hin, konnte sich aber nicht dazusetzen, weil sie ständig am Herd stehen und das Mus rühren mußte, damit es nicht anbrannte.
    „Eine Bäuerin
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