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196 - Auf der Flucht

196 - Auf der Flucht

Titel: 196 - Auf der Flucht
Autoren: Susan Schwartz und Jana Paradigi
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das Emuku trottete in stoischer Ruhe weiter die holprige Piste entlang. Wahrscheinlich würde es so laufen, bis es tot zusammenbrach.
    Yunupis freudige Zuversicht aber wandelte sich bald in Misstrauen.
    Auf einem hohlen Stamm, der neben der Straße aus dem Boden ragte, saß Stry und wartete. Am Fuß des Stamms steckte eine Tafel im Sand, mit einer verblichenen Abbildung, die ein Tier mit langem Maul, kurzen kräftigen Beinen und gezacktem Schwanz zeigte. Ein zweites verwittertes Schild lag daneben und trug unverkennbar die aufgemalten Worte der Städtischen.
    Dahinter, auf dem ausgetrockneten Grund, erstreckte sich eine künstlich geschaffene Hügellandschaft riesigen Ausmaßes, verschachtelt, mit unzähligen Verbindungsstegen, Eingängen, Fenstern, Türmen und Mauern. Die Bauten reichten weit in den trockenen See hinein und säumten den Haywee auf der Südseite Richtung Osten.
    Aber sie waren eindeutig nicht von menschlicher Hand geschaffen. Nicht einmal der kleinste Anangu hätte durch einen der Tausende Eingänge gepasst. Yunupi lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er die Bewohner sah, sechsbeinig und mindestens eine Handspanne lang. Als wären sie Artverwandte der Buschfleggen; wässriggelb, ohne Flügel und Augen. Aber mit gewaltigen Kauwerkzeugen.
    »Stry, komm«, flüsterte Yunupi in tiefstem Schrecken. »Die werden uns bestimmt nicht helfen – eher umgekehrt!«
    Immer mehr der sechsbeinigen Insekten strömten aus den Löchern und hielten ihre kurzen Antennenfühler tastend in den Abendwind.
    Ihre glänzenden schwarzen Kiefer klickten. Verdauungssaft tropfte von den dornartigen Zacken herab.
    Yunupi schlug mit den Zügeln, dass es schnalzte. Das Emuku gehorchte endlich, vielleicht hatte es die Gefahr begriffen. Doch da erfolgte bereits der Angriff.
    Während Yunupi seinen Treibstock aus der Halteschlaufe am Sattel zerrte, schwappte eine Woge aus Insektenleibern über den Haywee, überrollte alle Hindernisse und zerfiel an den Beinen des Emukus in verschiedene Strömungen.
    Yunupi hielt sekundenlang die Luft an, zuerst gelähmt vor Schreck. Doch dann löste er sich aus der Starre, presste die Schenkel fest an den Körper des panisch austretenden Laufvogels, in den sich bereits zahlreiche Gelbe verbissen hatten, und pflügte mit seinem Stock durch die Schar der Angreifer.
    Die wässriggelben Insekten zerbarsten unter den Hieben und flogen in Fetzen umher. Stry, selbst nicht größer als die Gelben, jagte todesmutig über sie hinweg, hackte mit seinem Schnabel auf sie ein und schleuderte sie durch die Luft.
    Yunupi stach zu, rammte die Spitze seines Stabs mit aller Kraft in den sich neben ihm auftürmenden Haufen, spießte die Insekten nacheinander auf, streifte sie mit dem Fuß ab und stieß wieder zu. Er vergaß den Ekel, wenn er mit den Zehen durch die glitschigen, teilweise noch zappelnden Leiber fuhr, und er biss die Zähne zusammen, wenn sie ihre Kieferzangen in seine Füße und Waden bohrten und blutige Wunden rissen. Das ätzende Sekret, das sie absonderten, brannte wie Feuer und ließ die Haut zischend verdampfen.
    Das Emuku trampelte in wilder Panik über die Flut hinweg, schnappte unkontrolliert um sich. Doch die Gelben wurden immer mehr, bildeten Ketten und Klumpen an den stämmigen Vogelbeinen und erschwerten das Vorankommen.
    Yunupi merkte, wie der Laufvogel taumelnd um sein Gleichgewicht kämpfte. Der Kopf sank nach unten, die Beine knickten ein.
    »Weiter! Nicht aufgeben!« Yunupi hieb die Fersen in die Flanken des gepeinigten Tiers, schlug blindlings um sich, als die ersten Gelben an ihm hochkletterten und seine Hüfte erreichten.
    »Lauuuuuf!«, brüllte Yunupi in Todesangst mit sich überschlagender Stimme und schlug mit dem Stock auf das Lauftier ein.
    Das Emuku raffte sich noch einmal auf, Quäkend hob es die blutüberströmten Beine, von denen Hautfetzen herabhingen, schüttelte die Insektentrauben ab, stampfte los und gewann endlich an Geschwindigkeit. Bald sauste es den Haywee entlang, und die Flut der Gelben blieb endlich zurück. Yunupi streifte die letzten Insekten ab, schlug sie von dem Emuku ab, so weit er sie erreichte, und spornte das arme Tier immer noch weiter an.
    »Jaaa!«, brüllte Yunupi in wilder Freude. »Wir schaffen es! Wir sind durch! Und ich habe mich nicht geduckt!«
    Im nächsten Moment wurde er aus dem Sattel geschleudert. Er sauste über den Kopf des Emukus hinweg, überschlug sich und landete verdutzt auf der Straße. Yunupi stieß einen wütenden Schrei aus,
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