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196 - Auf der Flucht

196 - Auf der Flucht

Titel: 196 - Auf der Flucht
Autoren: Susan Schwartz und Jana Paradigi
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Verkrustungen auf dem bleichen Körper gebildet.
    Ja, er war anders als die anderen. Ein Mischling, und ein mickriger noch dazu. Schuld daran war seine Mutter! Damals, als die Frauen die Handelskarawanen noch begleiten durften, hatte Sunya nichts Besseres zu tun gehabt, als sich, kaum in der Stadt angekommen, umgehend mit einem Weißen zu vergnügen.
    Yunupi kannte jede einzelne der Spottgeschichten, die man sich darüber erzählte, samt der widerlichen Details auswendig. Tarr hatte Sunya nicht gleich verstoßen, sondern sie mit sich zurückgeschleift wie ein bockiges Kalb, mit einem Strick um den Hals, zu Fuß, auf wunden Sohlen, bis sie vor Erschöpfung zusammengebrochen war.
    Trotzdem war die fremde Saat in ihrem Körper gereift. Fast zehn Mondwechsel später hatte Yunupi das Licht der Welt erblickt. Erst in jener Nacht hatte Tarr seiner Wut freien Lauf gelassen. Seinen Sohn in Händen haltend, hatte er Sunya aus der Hütte gejagt und für immer verstoßen. Und sie war geflohen, Richtung Meer gekrochen, zurück in die Stadt. Tarr hatte Yunupi nur deswegen als Sohn angenommen, weil er keine eigenen Kinder hatte.
    Voller Zorn über die Schande seiner Geburt kratzte Yunupi den Schorf ab, riss die Wunden auf, bis frisches Blut heraus quoll und Schmerz die hässlichen Bilder verdrängte. Sunya war schuld. Das änderten auch Yunupis Traumfantasien nicht.
    Yunupi würde sich doppelt beweisen müssen, um akzeptiert zu werden. Dieser Ritt war seine große Chance. Er würde nicht nur die Aufgabe vollbringen, die ihn zum Mann machte, sondern darüber hinaus dem Dorf den Yowie zurück bringen.
    Yunupi verlor sich wieder in Tagträumen und sah ein Mädchen, zart und schön wie der Papilulyss (Papilio ulysses: Odysseusfalter; prächtigster Schmetterling Australiens). Sie trug das schwarze Haar offen über ihrem engen Brustschurz. Ein Tuch wand sich um ihren geschmeidigen, erdfarbenen Körper und verdeckte knapp ihre Weiblichkeit. Ihre Pupillen leuchteten milchigblau wie der Mond, kühl und geheimnisvoll. Ihr Lächeln dagegen sprach von versteckter Glut und süßer Lust.
    Im Geiste streckte Yunupi seine Hände nach der Angebeteten aus, spürte die Begierde in den Gliedern pochen und…
    Er öffnete überrascht die Augen, als er hinter sich ein leises Tschilpen vernahm. »Stry! Dich haben die Götter geschickt!«
    Yunupi bot dem gefiederten kleinen Freund ein Stück Jobro an, das Hauptnahrungsmittel der Emukunanga aus Johannisbrotbaum-Mehl, Milch, Wurzelraspeln und Kräutern. Es gab noch genug, ebenso wie Wasser. Nun nicht mehr allein und getröstet, ritt Yunupi weiter, fest entschlossen, nicht eher ins Dorf zurückzukehren, bis er ein Held war.
    Zwei Tage später war Yunupis Tatkraft auf Kieselsteingröße geschrumpft. Die Sonne prangte wie ein Parasit am Himmel, leckte mit ihren stechenden Strahlen über Yunupis Körper und hinterließ mehr und mehr Risse in der jugendlichen Haut. Ohne ein wasserreiches Billabong würde seine Reise bald zu Ende sein.
    Auch dem Emuku gingen die Kräfte aus. Die schnellen, federnden Schritte des Laufvogels hatten sich zu einem schwerfälligen Stapfen gewandelt.
    So hatte sich Yunupi die Welt außerhalb des Tals nicht vorgestellt. Zwar gab es Dutzende Erzählungen, die von der Lebensfeindlichkeit und Kargheit berichteten. Aber immer kamen darin auch Trost spendende Plätze, grüne Inseln und Oasen im Sandmeer vor. Die Helden in den Geschichten litten zuerst ein bisschen, um am Ende umso größer belohnt zu werden. Aber wo war Yunupis Belohnung?
    Er seufzte und ließ seinen Blick über das öde Land streifen. Er passierte soeben auf dem Haywee einen großen Haufen Schrott, ausgeweidete Karren, Metallgerippe. Auch bleiche Knochen, an denen teilweise noch Kleidungsfetzen hingen, ragten aus dem Sand.
    Eine Karawane aus alter Zeit, vermutete Yunupi, die es nicht weiter geschafft hatte. Das würde ihm nicht passieren!
    In weiter Ferne glitzerte die Oberfläche eines Sees. Er fiel nicht darauf herein. Ein Trugbild, genau wie Yunupis Träume vom Heldentum. Als die Sonne sank, verwandelte sich der See in ein Sandmeer.
    Doch da war auch eine Lehmstadt, die nicht verschwand, und Yunupi glaubte Bewegung in ihr zu sehen. Die lebende Stadt, die der Schamane erwähnt hatte?
    »Stry, schau! Da vorn könnte unsere Rettung liegen!« Der Budgerigar flatterte erschrocken auf und flog dann auf die Lehmstadt zu. Yunupi versuchte das Emuku zu einem Spurt zu bewegen.
    »Faules Vieh, lauf! Da vorn gibt’s Futter!«
    Doch
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