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194 - Die Hölle der Erkenntnis

194 - Die Hölle der Erkenntnis

Titel: 194 - Die Hölle der Erkenntnis
Autoren: Jo Zybell
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Rochenflug genommen?
    Grao’sil’aana spürte wieder, wie sein Geist an eine Grenze stieß. Sehnlichst wünschte er sich, endlich am Kratersee zu landen, dem Sol zu berichten und ihm den Gefangenen auszuliefern.
    Der Daa’mure schauderte. Und erschrak, denn diese Empfindung war ihm früher fremd gewesen: Zu erschaudern – das war doch eine mentale Schwäche der Primärrassenvertreter, oder?
    Eis brach auf seiner Schuppenhaut und wirbelte mit dem Gegenwind davon, als er sich erneut nach Daagson umblickte.
    Der Daa’mure war dank der brodelnden Hitze unter seiner Schuppenhaut unempfindlich gegen die Kälte in dieser großen Flughöhe, doch auf dem Gesicht und auf der Decke des Primärrassenvertreters verdampften Eis und Frost. Gefesselt, bewusstlos und unter Fieberschauern bewegte sich sein Körper im Rhythmus der Schwingenschläge hin und her. Seine Augäpfel zuckten unter den Lidern. Träumte er von Kampf und Totschlag und Vernichtung?
    Grao’sil’aana war fast sicher, dass er das tat.
    Brandgefährlich war dieser Primärrassenvertreter, dieser Daagson.
    Grao’sil’aana wusste, dass er wachsam sein musste, wenn er ihn an den Kratersee bringen wollte. Auf gar keinen Fall durfte er zu sich kommen, auf gar keinen Fall in bewussten Kontakt mit der Wesenheit treten, die ihn beherrschte und besaß. Denn der Finder – das wusste Grao’sil’aana – war stärker als er; stärker als alles, was der Daa’mure jemals gesehen und gespürt hatte.
    ***
    Ora’sol’guudo stand von seinem schwarzen Granitsessel auf, hob den Schädel und blickte hinauf zu den glimmenden Leuchtkristallen der Höhlendecke. Er lauschte. Etwas war anders als sonst. Er schloss die Augen, konzentrierte sich auf sein Volk, ließ seinen Geist wandern.
    Tausende und Abertausende Auren ertastete sein Bewusstsein; kühle und heiße, kraftvolle und verzagte, unruhig flirrende und gleichmäßig dahinströmende. Tausende und Abertausende Daa’muren, die in den Felsformationen des ehemaligen Kraterseegrundes hausten, in den übrig gebliebenen Wasserlöchern schwammen, zwischen den Lavatrümmern der Raumarche arbeiteten und in den labyrinthischen Gängen des Wandlers selbst schliefen oder warteten.
    Zwei dieser Daa’muren näherten sich seiner Wohnhöhle.
    Ora’sol’guudo berührte zwei Auren, die sich vertraut anfühlten. In ihrer unmittelbaren Nähe spürte er die zentralen Nervensysteme dreier Bioorganisationen minderer Ordnung.
    Doch hinter und über diesen fünf Wesen und zwischen dem gewohnten Rauschen, Zirpen, Summen und Raunen all der anderen ertastete er noch etwas anderes, etwas Neues.
    Jedenfalls versuchte er es zu ertasten. Es gelang ihm nicht, und nach ein paar Minuten gab er auf. Zu ungewöhnlich war es, zu weit entfernt, zu leise. Es klang in seinem Geist wie das Säuseln einer sanften Abendbrise, die sich an den schroffen Felsformationen der Klippen am Seeufer rieb.
    Stammte es vom Wandler? Oder kam es aus den Weiten des Himmels? Der Sol konnte es nicht herausfinden.
    Nachdenklich drehte er sich um und schritt durch die Felskammer. Im Vorübergehen fiel sein Blick auf den grünen Kristall in der Wandnische. In diesem Kristall war einst seine eigene ontologisch-mentale Substanz gespeichert gewesen. In ihm war er Millionen von Äonen lang durch das All gereist, und aus ihm war er vor gerade einmal vier Planetenumkreisungen in seinen neuen Körper gesprungen.
    Und jetzt? Hatte der uralte Speicherkristall noch eine Bedeutung für ihn? O ja, die hatte er! Eine fremde Präsenz wohnte jetzt in ihm. Eine Präsenz, ohne deren Unterstützung es weit schwerer gewesen wäre, seiner Führungsrolle im Kampf gegen die Primärrassenvertreter gerecht zu werden. Und er achtete sorgfältig darauf, dass niemand sonst von dieser Bedeutung erfuhr.
    Die Kammer des Sol war ein saalartiger, geräumiger Raum.
    In seiner Mitte stand neben einem Quarztisch wie ein Thron der wuchtige Sitz aus schwarzem, geschliffenen Granit. In der Ecke neben dem Eingang ragten sieben schwarze Steinblöcke aus dem Felsboden, die Steine der Lun. Hier pflegte der Sol die wichtigsten Unterführer der Daa’muren zu empfangen, wenn entscheidende Angelegenheiten zu besprechen waren.
    Ein dunkler Gang führte aus der Kammer in eine Art Arbeitsgrotte. Kristalle von der Deckenwölbung und viele orangefarbene Kristallwaben an den Wänden beleuchteten den Raum. In Wandnischen lagen verschiedene Werkzeuge aus Metall. An einer schwarzen Tischplatte aus Lavagestein stand eine Art Hocker aus
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