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1908 - Asyl im Eismeer

Titel: 1908 - Asyl im Eismeer
Autoren: Unbekannt
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Rhythmus.
    Manchmal trieb er auch über Stunden wie betäubt durch das Wasser. Träume so schwer wie Blei umfingen ihn. Vor seinem geistigen Auge materialisierte ein gehörnter Dscherro mit gezückten Waffen. Echsenhafte Setchenen erschienen, mit sechs Armen und blauer Schuppenhaut und mit aufgerissenen Mäulern, die um Hilfe schrien. Die Hilferufe brachten ihn um.
    Und als er am fünften, sechsten oder siebten Tag erwachte - die Zahl wußte er nicht genau -, hatte sich was verändert.
    Das Wasser in der Zelle stank. Der kleine Körper in seinem Inneren schien vollständig erkaltet zu sein.
    Zuunimalkhahen begriff, daß der Prinz gestorben war.
    Er öffnete die Arme, ohne darüber nachzudenken, und sah den bleichen Leib zu Boden sinken. Mahaaghs Schwimmblase hatte ihren Druck bereits nach draußen entleert, daher der schlechte Geschmack im Wasser.
    Bald würden sich in der Leiche neue Gase entwickeln, die Blasen würden für neuen Auftrieb sorgen. Mahaagh konnte noch nicht länger als fünf Stunden tot sein. Und er, Quellfürst Zuunimalkhahen, hatte den Tod des Prinzen verschlafen.
    Ein gellender Alarm ertönte, als Mahaagh den Boden berührte. Die Automatik hatte seinen Körper als leblos identifiziert.
    In der Zelle wimmelte es plötzlich von Medizinern.
    Zuunimalkhahen fühlte sich nach draußen gezerrt, in frischem Quellwasser gebadet - und mit solcher Kraft massiert, daß seine körpereigenen Kreisläufe wieder zu funktionieren begannen. Über einen Schlauch wurde er künstlich ernährt. Es war ein ekelhaftes Gefühl.
    Nach kurzer Zeit wirkte sich die Zufuhr von Nahrungsstoffen jedoch so positiv aus, daß er wieder zur Besinnung kam.
    Er konnte wieder klar denken. Jedenfalls glaubte er das.
    Seine erste Amtshandlung bestand darin, die zuständigen Mediziner ergreifen zu lassen.
    Sie hatten Mahaagh auf dem Gewissen, daran hegte er in diesem Moment keinen Zweifel, also sollten sie Buße tun.
    Zuunimalkhahen hörte sie in tiefen, knarrenden Lauten um Gnade bitten. Dann ließ er sie ersticken. Er sah zu, wie in einer leergepumpten Kammer ihre Schwimmblasen platzten. Zwei Minuten später waren sie erstickt. Der Anblick verschaffte ihm etwas Erleichterung.
    Einige Stunden lang verbarrikadierte er sich in einem Ruhezimmer des Aquariums. Schließ die Augen, und das Leid der Weit existiert nicht mehr. Du darfst es niemals an dein Inneres lassen. Vielleicht wäre es besser gewesen, er wäre gleich mit in die Kammer gegangen. Jedenfalls hätte ihm das den Schmerz erspart, der ihn nun erfüllte.
    Der Quellfürst verstand sich selbst nicht mehr Es war nicht die erste Exekution, die er hatte ausführen lassen, aber definitiv die erste, die zu Unrecht erfolgte.
    Er schämte sich, doch er konnte es nicht mehr ändern.
    Zuunimalkhahen öffnete die Tür, die nach draußen in den Korridor führte, und befahl seinen Dienern: „Bringt mir die Leiche!"
    Er mußte nicht lange warten. Sie transportierten Prinz Mahaagh in einem grauen medizinischen Behälter heran.
    Zuunimalkhahen nahm den Körper heraus, barg ihn ein letztes Mal zwischen seinen Armtentakeln und verließ die Klinik. Niemand war bei ihm. Keine aufdringlichen Bittsteller, keine Höflinge, keine dumm geborene Dienerschaft. Die Exekution hatte ihm Respekt verschafft.
    Er versuchte, die Stille zu genießen, empfand jedoch nichts als eine überwältigende Leere.
    Zuunimalkhahen ließ den kleinen Körper los.
    Der Zerfall hatte mittlerweile eingesetzt. So kam es, daß die Leiche nicht nach unten sank, sondern mit der Strömung westwärts getrieben wurde, weiter in Richtung Stadtrand von Phemiukendarab.
    Nach wenigen Sekunden verlor er den Leichnam aus den Augen. Die kleinen Fische an der Grenze würden Mahaagh fressen und seinen Körper dem ewigen Kreislauf zuführen.
    Zuunimalkhahen fand den Gedanken tröstlich. Irgendwie ging das Leben weiter, trotz der Ungerechtigkeit im Universum, nach einem schicksalhaften Plan, den kein Proptere verstehen konnte.
    Er starrte ohne Ziel in das von Nährstoffen durchflutete Wasser - als er Mahaaghs Körper zurückkehren sah.
    Die Strömung führte von ihm weg! „Unmöglich ...", murmelte er. „Das kann doch nicht ..."
    Seine Kreisläufe wären beinahe stehengeblieben. Der Fürst machte sich klar, daß es keinesfalls der kalte Prinz sein konnte, der sich ihm da näherte.
    Aber wer?
    Der Körper war klein, er war nur zehn Zentimeter groß. Und er verhielt direkt vor Zuunimalkhahens Augen. Im ersten Augenblick glaubte er, die Gestalt wäre
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