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19 Minuten

19 Minuten

Titel: 19 Minuten
Autoren: Jodi Picoult
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wollte.
    Und es gab Josies Clique. Sie nahmen zwei Tische in Beschlag, nicht weil sie so viele waren, sondern weil sie überlebensgroß waren: Emma, Maddie, Haley, John, Brady, Trey, Drew. Josie konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie die Namen am Anfang immer durcheinandergebracht hatte, so austauschbar waren sie.
    Sie sahen sich auch alle ähnlich - die Jungs trugen ihre kastanienbraunen Eishockeytrikots und die Kappen nach hinten gedreht, helle Haarsträhnen lugten aus den Ösen auf der Stirn. Die Mädchen waren alle Abziehbilder von Courtney, bis ins Detail. Josie hatte sich ihnen unauffällig anschließen können, weil auch sie wie Courtney aussah. Sie hatte ihr gewelltes Haar glatt ge-föhnt, und ihre Absätze waren sieben Zentimeter hoch, obwohl noch immer Schnee lag. Wenn sie äußerlich genauso aussah wie die anderen, ließ es sich wesentlich leichter ignorieren, dass sie gar nicht wusste, wie sie sich innerlich fühlte.
    »Hi«, sagte Maddie, als Courtney sich neben sie setzte. »Hi.«
    »Hast du das mit Fiona Kierland gehört?«
    Courtneys Augen leuchteten auf. »Die mit den verschieden großen Titten?«
    »Nein, die jüngere Fiona.«
    »Die dauernd mit ner Packung Kleenex herumläuft, weil sie Heuschnupfen hat?«, fragte Josie, während sie Platz nahm.
    »Von wegen«, sagte Haley. »Ratet mal, wer wegen Koksen in die Reha musste.«
    »Erzähl keinen Quatsch!«
    »Es kommt noch dicker«, fügte Emma hinzu. »Ihr Dealer war der Leiter dieser Bibelgruppe, die sich manchmal nach der Schule trifft.«
    »Das gibt's nicht!«, sagte Courtney.
    »Kannst du laut sagen.«
    »Hi.« Matt ließ sich auf dem Stuhl neben Josie nieder. »Wo warst du denn so lange?«
    Sie wandte sich ihm zu. An seinem Ende des Tisches drehten die Jungs aus Strohhalmhüllen und Spucke Kügelchen, während sie über das Ende der Skisaison sprachen. »Was meint ihr, wie lange die Halfpipe in Sunapee noch geöffnet ist?«, fragte John und beschoss einen Schüler, der einen Tisch weiter eingeschlafen war, mit einem Kügelchen.
    Der Junge hatte im letzten Jahr zusammen mit Josie das Wahlfach Gebärdensprache belegt. Er hatte dünne, weiße Arme und schnarchte mit offenem Mund.
    »Daneben, du Penner«, sagte Drew. »Wenn Sunapee zumacht, ist Killington noch auf. Die haben Schnee bis August.« Sein Kügelchen landete im Haar des Jungen.
    Derek. Der Junge hieß Derek.
    Matt warf einen Blick auf Josies Pommes. »Die willst du doch wohl nicht essen, oder?«
    »Ich hab nen Bärenhunger.«
    Er kniff ihr in die Hüfte, prüfend und kritisch zugleich. Josie blickte auf ihre Pommes. Vor zehn Sekunden hatten sie noch goldbraun ausgesehen und himmlisch geduftet. Jetzt sah sie nur noch das Fett, das den Pappteller befleckte.
    Matt nahm sich eine Handvoll und reichte den Rest an Drew
    weiter, der gerade den schlafenden Jungen getroffen hatte: in den offenen Mund. Würgend und hustend fuhr Derek hoch.
    »Super!« Drew und John klatschten einander ab.
    Derek spuckte in eine Serviette und wischte sich heftig den Mund ab. Er blickte sich um, um zu sehen, wer sonst noch zugeschaut hatte. Josie fiel plötzlich wieder ein Zeichen aus ihrem Gebärdesprachenkurs ein, von dem sie gleich nach der Abschlussklausur fast alles vergessen hatte. Eine geschlossene Faust, die kreisend über dem Herzen bewegt wurde, bedeutete, es tut mir leid.
    Matt beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Hals. »Komm, wir hauen ab.« Er zog Josie auf die Beine und sagte zu seinen Freunden: »Bis nachher.«
    Die Sporthalle der Sterling Highschool lag im ersten Stock, über drei Klassenräumen, die statt der nicht genehmigten Schwimmhalle gebaut worden waren und in denen ständig der Lärm von Turnschuhgetrappel und springenden Basketbällen zu hören war. Michael Beach und sein bester Freund, Justin Friedman, beide in der Unterstufe, saßen am Spielfeldrand und schauten ihrem Sportlehrer zu, der zum x-ten Mal die Dribbeltechnik vorführte. Es war reine Zeitverschwendung - Jungs in dem Alter hatten es entweder im Blut wie Noah James oder sie kriegten es nie im Leben hin - wie Michael und Justin. Beide saßen im Schneidersitz und lauschten dem durchdringenden Quietschen von Coach Spears' weißen Turnschuhen, während er von einer Seite des Spielfelds zur anderen dribbelte.
    »Zehn Mäuse, dass ich wieder als Letzter in eine Mannschaft gewählt werde«, flüsterte Justin.
    »Wenn die Stunde doch bloß ausfallen würde«, jammerte Michael. »Vielleicht gibt's ja eine
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