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19 Minuten

19 Minuten

Titel: 19 Minuten
Autoren: Jodi Picoult
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Feuerschutzübung.«
    Justin grinste. »Oder ein Erdbeben. Mir wär alles recht.«
    Nach dem Duschen brühte Lacy Houghton sich eine Tasse grünen Tee auf und schlenderte in aller Ruhe durchs Haus. Wenn ihr, als die Kinder noch klein waren, manchmal alles zu viel wurde, hatte Lewis sie oft gefragt, was er tun könne, damit sie sich besser fühlte. Aus seinem Mund empfand sie die Frage immer als absurd, denn Lewis' Spezialgebiet als Volkswirtschaftler am Sterling College war die Ökonomie des Glücks. Ja, es war ein seriöses Forschungsgebiet, und er war einer der führenden Experten. Er gab Seminare und schrieb Aufsätze und war auf CNN dazu interviewt worden, wie sich Spaß und Glück finanziell niederschlugen - und doch hatte er keine Ahnung, worüber Lacy sich freuen würde. Über ein schönes Essen im Restaurant? Eine Pediküre? Ein Nickerchen? Wenn sie ihm dann sagte, was ihr größter Wunsch wäre, schüttelte er verständnislos den Kopf. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ganz allein zu Haus zu sein, ohne irgendetwas Dringendes erledigen zu müssen.
    Sie öffnete die Tür zu Peters Zimmer und stellte ihre Tasse auf der Kommode ab, um das Bett zu machen. Was soll das bringen, sagte Peter jedes Mal, wenn sie ihn ermahnte, sein Bett gefälligst selbst zu machen, in ein paar Stunden ist ja doch alles wieder durcheinander.
    Ansonsten betrat sie Peters Zimmer eigentlich nur, wenn er drin war. Vielleicht hatte sie deshalb das Gefühl, dass irgendwas mit dem Raum nicht stimmte, dass irgendetwas Wichtiges fehlte. Das Zimmer kam ihr einfach leer vor, weil Peter nicht da war, vermutete sie zunächst. Doch dann fiel ihr auf, dass der Computer - ein ständiges Summen, ein grüner Bildschirm - ausgeschaltet war.
    Sie zog das Laken straff und stopfte die Ecken in die Ritzen; dann breitete sie die Decke darüber und schüttelte die Kissen auf. An der Tür blieb sie kurz stehen und lächelte: Das Zimmer sah perfekt aus.
    Zoe Patterson fragte sich, wie es wohl war, einen Jungen zu küssen, der eine Zahnspange trug. Nicht dass das für sie auf absehbare Zeit auch nur im Entferntesten konkrete Formen annehmen könnte, aber es war auf jeden Fall ratsam, schon mal darüber nachzudenken, um nicht völlig überrumpelt zu werden, wenn es denn passierte. Eigentlich fragte sie sich, wie es wohl war, einen
    Jungen zu küssen, Punkt aus - selbst einen, der nicht kieferorthopädisch behindert war wie sie. Und es gab keinen besseren Zeitpunkt für derartige Gedankenspielchen als eine langweilige Mathestunde, auch wenn Mr. McCabe redlich bemüht war, den trockenen Algebra-Stoff etwas aufzulockern.
    Zoe warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Sie zählte mit, bis der große Zeiger auf 9.50 sprang, schoss dann von ihrem Stuhl hoch und reichte Mr. McCabe ihre Entschuldigung. »Aha, Kieferorthopäde«, las er laut. »Tja, aber pass auf, dass er dir nicht den Mund zudrahtet, Zoe.«
    Zoe warf sich ihren Rucksack über die Schulter und spazierte aus dem Klassenzimmer. Ihre Mom würde sie um zehn vor der Schule abholen, und so eilte sie nach einem kurzen Abstecher ins Sekretariat, wo sie sich abmeldete, durch die leeren Flure nach draußen.
    Es war warm genug, um die Jacke zu öffnen und vom Sommerlager zu träumen und davon, wie es wäre, wenn sie ihren Gaumenexpander endlich los wäre. Wenn man einen Jungen küsste, der keine Zahnspange hatte, und zu fest drückte, konnte der sich dann im Mund irgendwas aufschneiden? Und wenn er auch eine Spange hatte, würden sie sich dann ineinander verhaken und müssten in der Notaufnahme getrennt werden? Wäre das nicht unendlich peinlich?
    Zoe fuhr sich seufzend mit der Zungenspitze über den Metallzaun im Mund. Dann spähte sie die Straße hinunter, ob der grüne Explorer ihrer Mom nicht allmählich in Sicht kam. Als plötzlich irgendetwas explodierte.
    Patrick wartete in seinem Zivilwagen vor einer roten Ampel, um auf den Highway einzubiegen. Neben ihm auf dem Beifahrersitz lag eine Papiertüte mit einem Arzneifläschchen voller Kokain. Der Dealer, den sie an der Highschool geschnappt hatten, hatte gestanden, dass es Kokain war, und trotzdem musste Patrick einen halben Tag damit verplempern, eine Probe davon ins Labor zu bringen, damit jemand in einem weißen Kittel ihm etwas bestätigte, das er bereits wusste. Er drehte gerade am Lautstärkeknöpf des Funkgeräts, als die Zentrale meldete, dass die Feuerwehr wegen einer Explosion auf dem Weg zur Highschool sei. Wahrscheinlich der Heizkessel. Kein
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