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1851 - In die TraumsphÀre

Titel: 1851 - In die TraumsphÀre
Autoren: Unbekannt
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mehr hätte erheben können.
    Das bedrückte die Herreach jedoch nicht, im Gegenteil. So viele andere zu spüren war tröstlich und milderte die Angst vor dem Unbekannten.
    Wie am Tag zuvor auch leitete Presto Go die Gebetstrance. Die Herreach vertieften sich schnell, nach dem gestrigen Erfolg fühlten sie sich gestärkt und mutiger.
    Um so größer war dann der Schrecken, als die erste semimaterielle Gestalt, die sie erschufen, der angstgeborene Axamit war. Mit seiner kugeligen Form und den ständig wechselnden Gesichtern des Grauens fuhr das Wesen kreischend durch die Reihen.
    Einige Herreach unterbrachen die Trance und wollten schreiend davonrennen, aber sie wurden entweder durch die Platzenge oder den eisernen Griff der anderen gehindert. Vor allem die Clerea, die Presto Go über alles verehrten, bewiesen hier ihr Vertrauen und ihr Durchhaltevermögen. Sie konzentrierten sich auf ihre Führerin und ließen sich von ihr leiten.
    Und tatsächlich wurde der Axamit, sobald er in die Reihen dieser Anhänger kam, rasch langsamer. Seine Gestalt verlor an Festigkeit und Konturen, und seine Gesichter wurden zu undeutlichen Schatten.
    „Laßt euch nicht von fremden Schrecken beeindrucken!" sang Presto Go. „Denkt an euch, an euer eigenes Selbst. Dort herrschen keine Ängste, keine Schrecken. Dies sind nur Projektionen, um euch von eurer Aufgabe abzuhalten. Das sind die einzigen Waffen des Fremden, mehr kann es euch nicht tun. Stellt euch der Angst, dann hat das Fremde keine Macht mehr über euch!"
    Die Clerea nahmen den Gesang auf und gaben ihn weiter an die vielen Herreach außerhalb des Bannkreises der Obersten Künderin.
    Cajono Yai hörte zu ihrer Verwunderung ihre eigene Stimme laut und klar über alle anderen. Sie spürte, wie der würgende Angstgriff um viele sich allmählich lockerte.
    In die Reihen kam wieder Ruhe, keiner mußte mehr dazu gezwungen werden, auf seinem Platz zu bleiben. Der Gesang erinnerte sie immer wieder von neuem daran, daß diese Wesen nur Ausdruck ihrer eigenen Angst waren und sich nur gegen sie wenden konnten, solange sie sie gewähren ließen aus Angst.
    Die Angst überwinden! Sich nur auf das Wesentliche konzentrieren! Das eigene Selbst erkennen, sich darin vertiefen. Nichts Fremdes darin eindringen lassen. Das Gebet vieler kann die Angst einzelner heilen.
    Wenn meine Angst geheilt ist, gebe ich meine Kraft weiter an diejenigen, die schwächer sind.
    Presto Gos geistige Kraft und Konzentration schien auf dem Höhepunkt zu sein. Ohne auch nur einen einzigen Moment zu schwanken, führte sie die Herreach weiter, tiefer in die Trance hinab, an allen Ängsten vorbei, um in ihnen wieder das alte Verlangen zu wecken, den Glauben an eine leuchtende Zukunft. Nichts zählte mehr außer der Gemeinschaft.
    Und da, schwach, begann sich hoch über ihnen in der Luft plötzlich eine Gestalt abzuzeichnen. Zunächst noch undeutlich und zart wie ein Nebelhauch. Doch bald wuchs sie in die Höhe und nahm die unverkennbare Form des Riesen Schimbaa an.
    Ein Seufzen, ein staunendes Raunen löste sich in an, und abschwellenden Wogen aus vielen Gebetsreihen. Noch war zuviel Furcht unter ihnen, als daß der Riese Schimbaa vollends Gestalt und Leben annehmen konnte, aber dennoch zeigte er sich deutlich als Ausdruck der Hoffnung.
    Schimbaa war zurückgekehrt. Und nur der Riese war in der Lage, das Fenster zum Unbekannten zu öffnen!
    Die Trance dauerte nahezu den ganzen Tag. Presto Go beendete sie von selbst, als sie bemerkte, daß einige Herreach vor Erschöpfung das Bewußtsein verloren. Die Oberste Künderin war selbst am Rande ihrer Kräfte, doch nicht entmutigt.
    Heute war es ihnen zwar nicht gelungen, dem Riesen Gestalt und die Aufgabe zu geben, aber es war immerhin ein Anfang.
    Die Runde löste sich auf. Presto Go sorgte mit unermüdlicher Energie und Organisationstalent dafür, daß jeder der immerhin fast 10.000 Herreach eine Unterkunft fand und etwas zu essen bekam.
    Moond konnte dafür nur teilweise Möglichkeiten bieten, es war immer noch zuviel zerstört. Doch die Siedler im Umland hatten bereits für Notunterkünfte gesorgt und ganze Zeltstädte errichtet. Dutzende von Suppenküchen zogen die hungrigen Herreach mit ihren Düften an.
    Die Oberste Künderin dachte wahrhaftig an alles; wer nicht betete, sollte für die anderen sorgen - so einfach war das. Sämtliche übrigen Arbeiten mußten hintenangestellt werden, die Ergründung des Fremden und Unheimlichen hatte jetzt absoluten Vorrang.
    Caljono Yai
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