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1851 - Dreizehn Seelen für den Satan

1851 - Dreizehn Seelen für den Satan

Titel: 1851 - Dreizehn Seelen für den Satan
Autoren: Michael Breuer
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Donnergrollen war zu hören. Das Unwetter kam aus heiterem Himmel über uns.
    Die Hexe krabbelte über den Boden. Verzweifelt versuchte sie, abermals nach dem Ritualdolch zu greifen. Diesmal mit der linken Hand. Ihre Finger zitterten.
    Als sie aufblickte, um uns anzusehen, verstand ich auch den Grund dafür. Sie zitterte nicht aufgrund der Schusswunde. Nein, die Hexe alterte! Hatte sie zuvor noch äußerlich wie eine junge Frau Mitte Zwanzig gewirkt, so war ihr Gesicht nun von Falten zerklüftet. Und die Veränderung war noch nicht abgeschlossen.
    Aus gequälten Augen blickte sie in den blitzdurchzuckten Nachthimmel.
    »Asmodis, hilf!«, rief sie mit flehender Stimme.
    Aber der Leibhaftige schien auf diesem Ohr nicht gut zu hören. Ich hatte schon oft erlebt, wie er seine Diener im Stich ließ oder furchtbar bestrafte. Es war jedesmal gleichermaßen schrecklich.
    Torkelnd kam die Hexe wieder auf die Füße. Das ledrige Gesicht einer Greisin blickte mir entgegen. Nur mühsam schaffte es unserer Gegnerin, sich aufrecht zu halten. Die Last der Jahre setzte ihr brutal zu.
    Suko warf mir einen unbehaglichen Seitenblick zu. Dann ließ er den Stab des Buddha wieder in seiner Jacke verschwinden. Er schien der Ansicht zu sein, ihn nicht mehr zu benötigen.
    Die Hexe stolperte uns entgegen. Sie hatte die Arme nach uns ausgestreckt. Ihre schrecklichen Hände waren zu Krallen verkrümmt.
    Wieder blitzte es am Himmel und ich hatte den Eindruck, als sei dies ihr Todesurteil.
    Ein Ruck ging durch ihren ausgemergelten, uralten Körper. Abermals brach sie in die Knie. Unter Zuckungen begann sie sich am Boden zu wälzen.
    Suko und ich hatten schon viele Male erlebt, wie Diener der Hölle vergingen. Es war niemals ein schöner Anblick. Daran konnte man sich einfach nicht gewöhnen.
    Vorsichtig traten wir näher. Über uns setzte heftiger Regen ein. Ein richtiger Wolkenbruch war es, der über Morley niederging, aber das bemerkten wir in diesem Moment kaum.
    Ich verzog das Gesicht, als ich die einst so schöne Hexe betrachtete. Sie bewegte sich nicht mehr. Ob sie noch lebte, vermochte ich nicht zu sagen. Das Fleisch auf ihren Knochen hatte begonnen, Blasen zu werfen. Fäulnisgeruch stieg in meine Nase, als sie vor unseren Augen verweste. Die Zeit holte sich mit aller Macht die gestohlenen Jahrhunderte zurück.
    Es war immer davon die Rede gewesen, dass die Hexe ihre Blutopfer um Mitternacht durchführen wollte. Jetzt erst ging mir auf, dass ihr nur eine bestimmte Frist zur Verfügung gestanden hatte. Deshalb hatte sie es auch so eilig gehabt.
    Das morsche Fleisch vermoderte in Sekundenschnelle und nur das Skelett blieb zurück. Der Totenschädel grinste uns aus leeren Augenhöhlen an.
    Aber auch das währte nur kurz.
    Das Gerippe zerfiel. Nur Staub blieb zurück. Er wurde durch die Böen des Unwetters aufgewirbelt und wehte in kleinen Wölkchen um unsere Füße.
    Wieder blitzte es am Himmel, dann klarte es plötzlich auf. Mit dem endgültigen Tod der Hexe schien das Gewitter abrupt abzuklingen.
    »Es ist vorbei«, stellte Suko fest und blickte den davonziehenden Wolken hinterher.
    Ich nickte nur.
    Jetzt erst wurde ich mir der hypnotisierten Menschen bewusst, die den Kirchenvorplatz bevölkerten. Mit dem Tod der Hexe schien auch der Bann über sie gebrochen zu sein. Auf zahllosen Gesichtern zeigte sich eine Mischung aus Verblüffung, Ratlosigkeit und Schrecken. Ich vermochte nicht zu sagen, ob sich die Menschen daran erinnern konnten, was mit ihnen geschehen war. Das würden wir noch herausfinden.
    Meine Augen suchten nach Susan Blakely und fanden sie schließlich im Kreis der gefesselten Opfer.
    Mit einem beruhigenden Lächeln ging ich neben ihr in die Knie.
    »Es ist vorbei«, wiederholte ich sanft Sukos Worte. »Alles wird wieder gut!«
    Damit machte ich mich daran, vorsichtig ihre Fesseln zu lösen.
    ***
    Suko warf einen unbehaglichen Blick zur Theke des kleinen Pubs. Dort konnte man deutlich die Kerbe erkennen, die der Axthieb des besessenen Wirts hinterlassen hatte.
    Dem braven Mann fehlte sämtliche Erinnerung an die zurückliegende Nacht. Den übrigen Dorfbewohnern erging es ganz ähnlich. Zwar besaßen sie nun eine Gedächtnislücke, aber davon würden sie sich erholen. Bald würde in Morley alles wieder wie früher sein.
    Nur Susan, Suko und ich kannten die volle Wahrheit über das grausige Geschehen.
    Nach den Strapazen der vergangenen Nacht hatten wir uns hierher, in den Pub, zurückgezogen. Vor mir auf dem Tisch stand ein
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