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184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
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halben Stunde schob Clarice sie mit einem Finger auf dem Tisch herum, ordnete sie dabei von groß nach klein, in einen Kreis, dann wieder in eine Reihe.
    Schweigend.
    Vogler machte sich Sorgen um sie. Der Vorfall am Strand hatte die Marsianerin offenbar noch mehr erschüttert als ihn. Das war tragisch und rätselhaft zugleich, denn im Team der beiden war sie bisher immer die Stärkere gewesen. Natürlich fühlte sich Vogler verantwortlich für den Fremden, den er buchstäblich zu Tode erschreckt hatte, aber trotzdem ging seine Betroffenheit nicht so weit, dass er darüber in Depressionen versank. Warum also reagierte Clarice derart emotional?
    »Rede mit mir!«, bat der Waldmann – und wünschte im nächsten Moment, er hätte es nicht getan.
    »Es war ein Fehler!« Clarice wischte die Fossilien vom Tisch und drehte sich um, Tränen in den Augen. »Was mache ich hier eigentlich, Vogler? Was, bei Phobos und Deimos, hat mich dazu getrieben, den Mars zu verlassen und mein Zuhause einzutauschen gegen… gegen…« Sie breitete die Arme aus. »… das! «
    Ungewohnt temperamentvoll sprang sie auf, wanderte durchs Labor und beschrieb das postapokalyptische Narbengesicht der Erde. »Dreck, wohin man sieht! Kein vernünftiges Dach über dem Kopf, keine saubere Kleidung. Nicht mal fließendes Wasser! Statt einer anständigen Mahlzeit gibt es vegetarische Hydritenkost! Sie hängt mir zum Hals raus!« Clarice hob die Hand, strich darüber. »Und schau dir meine Haut an! Früher waren das schöne Pigmentflecken, heute sind es verstopfte Poren! Mein Körper erstickt, weil ich ständig diesen Druckanzug tragen muss! Nicht mehr lange, und ich bin faltig wie schlaffer Satin…«
    Der Marsianer war verwirrt. Er hatte ein Klagelied auf den verstorbenen Matrosen erwartet, keine Abrechnung mit irdischem Dreck. Wortlos nahm er Clarice in die Arme. Sie barg ihr Gesicht schluchzend an seiner Schulter.
    Vogler streichelte sie tröstend. »Dieser Planet wurde von einer Katastrophe globalen Ausmaßes heimgesucht«, sagte er. »Lass uns geduldig sein! Vielleicht können wir dazu beitragen, dass seine Bewohner ihren einstigen Entwicklungsstatus wieder erreichen. Wir und Matt Drax.«
    »Du hast Recht.« Clarice löste sich aus Voglers Umarmung. Sie warf einen bedauernden Blick auf die zerbrochenen Fossilien am Boden und seufzte. »Das war dumm von mir! Schade um die Funde.«
    Vogler winkte ab. »In der Südbucht gibt es reiche Vorkommen. Was hältst du davon, wenn wir heute Abend hingehen und ein paar neue Stücke sammeln?«
    »Es ist Vollmond!«, fügte er hinzu und atmete auf, als die Traurigkeit in der Miene seiner Kollegin einem Lächeln wich. Clarice liebte die hellen Mondnächte. Der Erdtrabant war zwar auch vom Mars aus sichtbar – er stand in einem Abstand von 24 Bogensekunden vom Mutterplaneten – doch sein Anblick war unvergleichlich spektakulärer, wenn sich der Betrachter in irdischen Gefilden befand.
    Tapfer machte sich Clarice wieder an die Arbeit. Ihre eigene war für den Augenblick mangels Material beendet, deshalb ging sie Vogler zur Hand. Der Waldmann hatte sich Proben verschiedener Inselpflanzen beschafft, um ihre Zellstruktur zu untersuchen. Er hoffte Überstimmungen zu finden, aufgrund derer sich eine Verbindung zu marsianischen Gewächsen nachweisen ließ.Gegen Mittag legten die Wissenschaftler eine Pause ein. Sie hatten Hunger, und den konnte man nicht wegbeten, auch wenn die Zusammensetzung der Speisen diesen Gedanken durchaus förderte: Algenextrakt und Mangrovenfrüchte, schonend zubereitet und in Portionspackungen abgefüllt. Wenigstens brauchte man das Ganze nicht kalt zu essen. Ein bionetisches Gerät, das ähnlich funktionierte wie eine Mikrowelle, verwandelte den grünen Brei in dampfenden grünen Brei und sorgte dafür, dass es in der gesamten Unterkunft nach Fisch roch.
    »Morgen fange ich an, die Wälder zu erkunden!«, entschied Vogler, während er in seinem Essen stocherte.
    »Quart’ol hat uns versichert, dass hier nichts Giftiges wächst. Vielleicht finde ich eine Alternative zu dieser…«
    »Zumutung?«, schlug Clarice lächelnd vor.
    »Ich wollte eigentlich Speise sagen, aber Unrecht hast du nicht.« Vogler wandte sich abrupt der Kollegin zu.
    »Bereust du deine Entscheidung wirklich?«
    »Nein.« Clarice schüttelte den Kopf. »Die Reise zur Erde war ein einmaliges Geschenk. Ich meine, welcher Wissenschaftler bekommt schon die Gelegenheit, einen fremden Planeten vor Ort zu erforschen? Ich war nur…
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