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184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
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bestattet.
    Nikodeemus seufzte erneut. Der Argwohn der Herren des Hohen Hauses war schlimm. Sie führten sich auf, als gehöre ihnen die Welt. Sie lebten im größten Haus der Stadt, das sie wie eine Festung ausgebaut und ihren Bedürfnissen angepasst hatten. Ein mit Nikodeemus’
    Großvater befreundeter Handwerker hatte als alter Mann erzählt, man hätte ihn und viele andere seinerzeit zusammengetrieben, damit sie das Hohe Haus instand setzten. Sie hatten Tausende Tonnen besten Mutterboden und körbeweise Pflanzen und Samen über zahllose Treppen nach oben geschleppt. Zum Lohn für ihre endlose Plackerei hatten sie nur Wasser und Brot erhalten.
    Andere Handwerker, denen Nikodeemus später begegnet war, hatten erzählt, dass die Herren ganze Etagen ihrer riesigen Burg geräumt hatten, um Treibhäuser anzulegen. Heute konnte man auf manchen Stockwerken des Hohen Hauses angeblich Waldspaziergänge machen.
    Nikodeemus wusste nicht, was er von diesen Geschichten halten sollte. Als belesener Mensch hatte er natürlich Phantasie – aber Wälder im Inneren eines Hauses? Es war kaum zu glauben. Andererseits hatte er während seiner Tätigkeit als Kurator der Kristianer viele unglaubliche Dinge gesehen. Noch heute entrissen Wühler dem Erdboden ständig Relikte alter Zeiten, denen niemand eine eindeutige Funktion zuweisen konnte. Zum Beispiel die Silberscheiben, die in jedem Haus vorkamen… Nun ja, wichtiger waren bestimmt die Dokumente und Kunstschätze, die er für den Kristianer-Orden hegte und pflegte.
    Nikodeemus verließ das Haus durch ein Loch in der Wand. Eine Erdbewegung hatte es entstehen lassen. In Sidnee standen viele Häuser schief. Noch mehr waren nach dem Schmelzen des Eises zusammengestürzt. Seine Vorgänger hatten viele Dinge bergen können, die nun im Museum der Kristianer lagerten. Vieles andere – und auch mancher Mensch – war beim Einsturz der Häuser zermalmt worden…
    Dies galt leider nicht für den in Ledergekleideten, langmähnigen Wilden, der plötzlich aus einem Gebüsch sprang und Nikodeemus mit einem gefährlich aussehenden Morgenstern bedrohte.
    Nikodeemus blieb stehen. Sein Herz schlug heftig, denn er war nur ein kleiner Bücherwurm und in der Kunst des Kampfes nicht bewandert. Der Wilde gehörte offenbar zu den Jackos, die sich schon mal nach Sidnee verirrten. Die Jackos waren oft durchgedreht, immer schwer bewaffnet und selten artikulationsfähig.
    Nikodeemus schüttelte sich. Nach der Begegnung mit dem Kettenfahrzeug hatte er sich auf einen langweiligen Spaziergang zum Gotteshaus gefreut. Doch nun das!
    Wieso schützten die selbsternannten Herren der Stadt eigentlich ihre Bürger nicht vor nomadisierenden Taugenichtsen?
    Kaplan Willie hatte die Vermutung geäußert, es sei dem Hohen Haus ganz Recht: Wer damit beschäftigt war, sich Banditen vom Hals zu halten, hatte nämlich keine Zeit, die Regierung zu stürzen.
    »Was willst du?« Nikodeemus’ Muskeln spannten sich. »Meine Taschen sind leer. Ich besitze keine Reichtümer…«
    Ein Schatten fiel über den Barbaren, der sich sofort duckte und zischend in die Büsche warf.
    Nikodeemus schaute hoch. Da knallte es auch schon, und er warf sich in einen Graben. Gerade noch hatte er sich das Eingreifen der Ordnungsmächte gewünscht – jetzt flogen ihm die blauen Bohnen um die Ohren! In einer ungefähren Höhe von zwanzig Metern kreuzten drei Drachensegler auf ihren schwarzen Schwingen.
    Einer der Flieger zielte mit einer Handfeuerwaffe in die Tiefe. Nikodeemus glaubte, den Lauf qualmen zu sehen. In dem Hinterhofdickicht, in dem der Fremde verschwunden war, knackte trockenes Holz.
    Die Flieger riefen sich kodierte Worte zu, die kein Außenstehender verstand. So informierten sie sich über die Lage am Boden. Dann knallte es erneut – diesmal aus gleich zwei Rohren.
    Nikodeemus drückte sich fest an die Erde, schützte sein Haupt mit den Händen und sprach ein Gebet, damit die Ungerechten die Falschheit ihrer Taten einsahen.
    Dann hörte er nicht weit entfernt einen schrillen Schrei.
    Die Flieger lachten, stellten das Feuer ein und lenkten ihre Gleiter an einen Ort, der gut fünfzig Meter von Nikodeemus entfernt war.
    Sie riefen sich wieder kodierte Worte zu, dann trennte sich einer von den anderen und nahm die Richtung, in die das Kettenfahrzeug gefahren war.
    Nikodeemus richtete sich auf. Der Flieger alarmierte bestimmt die fahrende Festung. In ein paar Minuten würde der Panzer durch die Hinterhöfe rasseln, damit die Besatzung sich
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