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184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
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mitten hinein in das köstliche Futter. So schnell konnte sie gar nicht fressen, wie es ihr schmeckte. Sie hieb mit dem Schnabel in die Algen, dass es nur so spritzte. Der letzte Klecks landete auf ihrem Kopf. Dort blieb er kleben und wackelte mit der Ente davon.
    »Wo willst du hin, Marsia?«, fragte Clarice stirnrunzelnd.
    »Marsia!« Vogler verzog den Mund. »Warum hast du ihr nur diesen Namen gegeben?«
    »Er erinnert mich an Zuhause. Das hilft, wenn man Heimweh hat.« Clarice stand auf und folgte der Natt’nik.
    Sie näherte sich zielstrebig der Schleuse zum Labor.
    Voglers Augen weiteten sich, als er an Clarice vorbei die Ente beobachtete. Marsia stand vor der Schleuse, die Flügel als Balancehilfe ausgebreitet, und hob sich wackelig auf die Spitzen ihrer Plattfüße. Schnell noch den Hals in die Höhe gereckt, dann war sie groß genug, um die sensorische Türverriegelung zu erreichen. Ihr Schnabel tickte auf das grüne Feld, und die Schleuse begann sich zu öffnen. Ungeduldig schnatternd zwängte sich Marsia durch die wachsende Öffnung. Im nächsten Moment war sie fort.
    »Wie hat sie das herausgefunden?«, fragte Clarice erstaunt.
    Vogler schüttelte den Kopf. »Gar nicht. Es ist die Farbe, denke ich. Natt’niks reagieren auf Grün, weil sie das mit Futter verbinden. Erinnere mich daran, Quart’ol bei seinem nächsten Besuch um schwarze Folie zu bitten.« Er wandte sich ab. »Stell dir nur mal vor, Marsia würde ins Labor gelangen und…« Vogler fuhr herum, tauschte einen Schreckensblick mit Clarice. »O nein – sie ist im Labor!«
    Die beiden rannten zur Schleuse, die sich auch für sie nicht rasch genug öffnen konnte. Durch den Spalt drang unheilvolles Klirren an ihre Ohren. Als Vogler und Clarice das Labor betraten, hatte Marsia bereits eine Spur der Verwüstung gezogen: Petrischalen, Filter, Glasträger – alles lag am Boden verteilt. Nun hockte die Ente auf einem der Tische, schob ihren Schnabel klappernd über die Platte und fraß sie leer.
    »Meine Proben!« Voglers Stimme war nur ein Ächzen.
    Sie wurde auch nicht kräftiger, als seine Fassungslosigkeit in Zorn umschlug und er hinzufügte:
    »Na warte, du verdammtes Vieh! Dafür landest du im Ofen!«
    ***
    Magister Nikodeemus erinnerte sich nicht an die Schmelze, die Sidnee vor siebzig Jahren überspült hatte, aber sein Großvater hatte sie erlebt und seine Erinnerungen weitergegeben: Damals waren auch jene wieder an die Oberfläche gekommen, die es sich zwanzig Generationen lang in ihren geheizten Bunkern hatten gut gehen lassen.
    Die Generation seines Großvaters, die die Eiszeit an der Oberfläche durchgestanden hatten, hatte die Militärs willkommen geheißen – schließlich geboten sie über eine phantastische Technik, die das Leben aller Menschen in dem Stadtmoloch erheblich erleichtern konnte.
    Leider hatten die Militärs mit diesen Menschen wenig im Sinn gehabt. Wie auch heute: Sie waren nicht daran interessiert, ihre Errungenschaften mit der Oberwelt zu teilen.
    Nikodeemus seufzte. Er duckte sich hinter das Fenster einer Hausruine, gut getarnt vom blattreichen Geäst einiger Birken, die vor dem seit Jahrhunderten scheibenlosen Fenster wuchsen. Ein rasselndes Kettenfahrzeug rollte vor ihm her. Nikodeemus hatte keinen besonderen Grund, sich vor dem Panzer zu verstecken. Es war so Sitte. Man wich den Soldaten des Generals aus, damit ihnen kein Grund einfiel, einen zu schikanieren. Sie hatten mächtige Waffen, die sie gern abfeuerten. Zum Beispiel das aus dem Fahrzeugturm ragende, oberschenkeldicke Metallrohr. Man nannte es Lasergeschütz. Nikodeemus hatte es schon mehrmals in Aktion gesehen – nicht nur in den Tagen, als sich die verwirrten Omaristen gegen das Hohe Haus erhoben hatten.
    Von dem Gebäude, in das die Omaristen geflüchtet waren, existierten nur noch Trümmer: Das Geschütz hatte den alten Kasten mit wenigen Schüssen in seine Bestandteile aufgelöst. Er war in einer großen Staubwolke zusammengekracht.
    Der Panzer rasselte vorbei. Nikodeemus atmete auf. Er war froh, dass ihn niemand von der Mannschaft gesehen hatte. Diese Leute hatten es nicht gern, wenn man ihnen zu nahe kam. Vor kurzem hatte der Typ im Ausguck einen betrunkenen Fischer unten am Gotteshaus mit seinem Revolver erschossen. Der Mann war in seinem Übermut auf das Kettenfahrzeug gesprungen. Die Soldaten hatte seinen Leichnam wie eine zertretene Flegge auf die Straße geworfen. Die Brüder vom Orden der Kristianer hatten ihn aufgelesen und
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