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183 oz.

183 oz.

Titel: 183 oz.
Autoren: Daniel Ott
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letzten Tönen des Videos erschöpft und selig in unseren Schlafsäcken ein.

So, 28.09.97: Bondi Beach
    Am nächsten Morgen ist Gary schon munter und geduscht, als wir uns schlaftrunken anblinzeln und zu verstehen versuchen, wo wir eigentlich sind. Er drängt darauf, das Haus zu verlassen, da er verabredet ist. Wir sammeln unsere sieben (-undvierzig) Sachen zusammen und treten aus der Haustür in unser erstes Tageslicht in Australien. Der Himmel ist weit und klar, nach unten hin tiefblau und komplett wolkenlos. Wir spüren die Nähe des Meeres. Die Straßen schneiden gerade Linien durch eine Flut von kleinen Häusern, die dunkelgrün, weiß oder blau gestrichen sind. Mit den Rucksäcken geschultert und der Gitarre unterm Arm skaten wir ein paar Straßen runter zum Bondi-Beach: der erste Blick auf das Meer und die Wellen. Die Bucht liegt dunstig vor uns im blendenden Licht der Morgensonne. An der vorderen Seite der Bucht schmiegt sich ein Hotel in den Fels, mit einem Rockpool, in dem ein paar frühe Schwimmer ihre Bahnen ziehen, während die größeren Wellen regelmäßig frisches Wasser in den Pool spülen. Auf dem breiten Strand liegen zwischen müde aussehenden, aus der letzten Nacht übriggebliebenen Partygängern die ersten Urlauber präzise zur Sonne ausgerichtet. Und das Meer ist leicht gesprenkelt von Surfern und Bodyboardern. Nach einigen Metern entlang der Promenadenstraße biegen wir ab, zum Indy's Backpackers, keine 200 Meter vom Strand entfernt. Es ist ein magischer Moment, als wir beim kürzlich verstorbenen Sänger von Sublime für eine Nacht einchecken. Wahrscheinlich gehören der King und Mr. Cobain auch zum Personal, so unsere – wie ich meinen möchte – durchaus nachvollziehbare Hoffnung.
    Das Backpackers Hostel hat im Erdgeschoss seinen Empfang, die Gemeinschaftsküche mit einer beeindruckenden Frühstückszerealien-Sammlung, einen Fernsehraum, eine Terrasse mit Billardtisch und einen Garten mit saftig grünem, aber unbequem pieksigem Rasen. Im Obergeschoss finden sich die verschiedenen Mehrbettzimmer, die Toiletten und Badezimmer. Während unten Südsee-Dekoration mit Palmen und Bambus für Licht und gute Stimmung sorgen, sind die Zimmer oben mit grauem Teppich ausgelegt, nüchtern und fleckig, und mit dem fehlenden Charme unzerstörbarer Möbel eingerichtet.
    Nach einer kurzen Inspektion der großen Halfpipe am Strand von Bondi gehen wir auf VW-Bus-Suche. Im 'Autobarn' will man uns mit kaputten VWs und unfreundlichen Verkäufern verarschen, weshalb wir frustriert und angesäuert weiterskaten, zu unserer nächsten Hoffnung, dem 'Kings Cross Carmarket'. Im fünften Untergeschoss einer Tiefgarage warten dort apathische Reisende mit ihren Autos auf uns. Man muss sich das so vorstellen: Eigentlich drängt die Zeit. Eigentlich ist das Wetter draußen herrlich. Eigentlich hat man gerade eine tolle, mehrwöchige oder gar mehrmonatige Reise hinter sich und möchte weiter/möchte nach Hause. Doch de facto sitzt man zähe, miese Tage in einer dunklen Tiefgarage und giert nach frischem Touristenfleisch, das sich auf Level -5 verirrt, um eins dieser viel zu teuren "Reiseautos" zu kaufen, die ihrerseits auch schon alle viel zu teuer gekauft und anschließend wochen- und monatelang hingebungsvoll misshandelt wurden. Aus dem Traum-Mobil wird eine Fußfessel in einem dunklen Verlies.
    Ein paar VW-Busse sind hier sogar dabei, aber keiner zu einem Preis, der in irgendeiner Relation zur Wirklichkeit außerhalb dieser Garage steht. Der günstigste VW-Bus kostet 2500$ und hat hinten kein einziges Fenster. Zudem sieht er innen schmierig und dreckig aus. Ungewöhnlich, denken wir uns, weil er uns doch von einem Schweizer angeboten wird. Kann man sich das vorstellen: ein korrekter Schweizer in so einem verrotteten Auto? Dieser VW-Bus kommt für uns jedenfalls nicht in Frage. Zwei weitere werden für 4000$ angeboten. Einer von ein paar Israelis, sehr nette Leute. Der T2 ist mit einem Automatikgetriebe ausgestattet, dafür leider ohne Stereoanlage – und wie sich bei der Probefahrt herausstellt, offenbar auch ohne Stoßdämpfer. Außerdem geht der Bus während der Fahrt mehrfach ohne erkennbare Gründe aus. Immer wenn das passiert, versuchen die Israelis ganz überrascht zu gucken während sie routiniert den Motor wieder anschmeißen. Und immer zucken danach alle mit den Schultern, als ob sie sagen wollen: War was? Nö, ich hab nix gemerkt. Aber egal, diesen Bus wollen wir haben. Wir fahren dann noch den traumhaft
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