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183 oz.

183 oz.

Titel: 183 oz.
Autoren: Daniel Ott
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Eingewickelt in mehrere Thai-Airways-Decken gegen die trocken-kalte Klimaanlagenluft, bringt uns die hellblaue Vollsynthetik sehr effektiv zur Ruhe indem jede Bewegung mit einer kleinen elektrischen Entladung geahndet wird. Essen und Spiele sind über den Wolken ganz nach unserem Geschmack: Chicken orientalisch mit Reis, garniert mit duftig leichtem Hollywoodschinken à la Dummschwätzer auf Jim-Carrey-Art.
    Bis zu unserem Anschlussflug bleiben uns am Flughafen in Kuala Lumpur vier Stunden. Diese Zeit verbringen wir damit, hinter einem monströsen Aussichtsfenster zu sitzen und die draußen herrschende Apokalypse über den Start- und Landebahnen zu besingen. Benni an der Gitarre, ich an der Stimmritze. Die netten Asiaten: Schon wieder kommt eine junge Japanerin und fragt uns, ob wir nicht die Ichweißnichtwie-Twins sind, die sie aus dem TV kennt. Wir verneinen höflich und bedanken uns, aber sie lässt nicht locker bis sie ein Autogramm von uns beiden hat.
    Der zweite Teil des Fluges ist weniger luxuriös, da die Boeing unverschämter Weise voll besetzt ist. Den Kuala Lumpeken ist das bisschen Rauch offenbar egal – der Flug ist gebucht, dann wird auch geflogen. Am Flughafen in Sydney, es ist bereits kurz nach 22 Uhr Ortszeit, holt uns meine Ex-Freundin, mit der ich vor 4 Jahren schon einmal ein halbes Jahr in Australien war, ab. Sie ist jetzt für ein Praktikum mit ihrem neuen Freund - einem ehemals sehr guten  Freund von mir - hier in Sydney für ein Jahr. Da ich aus Territorial-Pissing-Gründen nicht in die Wohnung soll, die die beiden bewohnen, trennen sich Bennis und mein Weg für zwei Stunden. Ich sitze nach der 27-Stunden-Reise mit meinem Rucksack zwischen den Beinen im Park auf einer Bank und unterhalte mich, Benni sitzt in der Wohnung auf einem Stuhl und unterhält sich ebenfalls. Ich sehe meine Hosenbeine kurz unter den Knien spannen und muss lächeln. Es gibt mir ein beruhigendes Gefühl tiefer Verbundenheit mit meinem Bruder, der wahrscheinlich gerade genauso da sitzt. Nachts um 0:30 Uhr machen Benni und ich uns dann wieder gemeinsam auf, in Richtung Oxford-Street, wo Sydneys Nachtleben tobt, um von dort aus einen Bus zu einem x-beliebigen Strand zu nehmen und endlich zu schlafen.
    Zwischen all den aufgetakelten, vor Fröhlichkeit, Chemie und Lebenslust sprudelnden jungen Menschen auf der Straße kommen wir uns vor wie die zwei Typen, die gerade auf dem Weg waren, um auf dem zuständigen Amt den Führerschein erneuern zu lassen, als sich der Fahrstuhl plötzlich mitten ins Leben dieser Stadt öffnete – und nicht wie erwartet in einen graugrün gestrichenen Gang mit einer Reihe nummerierter Büros. Ungelenk suchen wir unseren Weg durch die Menschen zu einer Bushaltestelle. Dort stellen wir fest, dass wir mit den aufgeführten Haltestellen der Buslinien rein gar nichts anfangen können, da leider keine der Haltestellen mit "-beach" endet. Wir haben jedoch glücklicherweise so gut wie gar keine Zeit, den Mut zu verlieren über die Frage, wie es denn jetzt weitergehen soll, da uns umgehend ein freundlicher junger Mann anspricht. Wo wir denn hin möchten? Unsere Lage ist schnell erklärt. Er spricht daraufhin irgendeinen anderen Mann an, der dort steht und erläutert ihm die Lage. Woraufhin derjenige sich wiederum bereit erklärt, uns zu begleiten, da er sowieso in diese Richtung möchte. Wir wissen nicht welche Richtung das ist, sind aber Hundemüde und froh, dass er es weiß.
    Im Bus unterhalten wir uns mit unserem Begleiter, Gary, über Musik und Australien. Die Luft im Bus schmeckt abgestanden nach den vielen Leuten, die auf dem Weg von einer oder zur nächsten Party sind. Draußen fliegen mit jedem Kilometer allmählich weniger beleuchtete Reklametafeln vorbei, der Bus leert sich langsam an Haltestelle nach Haltestelle. Im Verlauf des Gespräches lädt Gary uns ein, diese Nacht bei ihm in der WG zu bleiben. Wir können die beiden Couches im Wohnzimmer haben, seine WG-Mitbewohner seien sowieso nicht zu Hause. Wir nehmen verwundert und dankend an und steigen mit ihm an einer Haltestelle in einer ruhigen Wohnstraße in irgendeinem Vorort Sydney's aus. Die warme Dusche und das kühle Dosenbier sind zwei Wohltaten, die wir dem Samariter dieser Nacht nie vergessen werden. Danach spielt er uns ein Video vor. Ein Musikvideo von der Band, in der seine Mitbewohnerin singt: Leonardos Bride. Benni und ich können uns nur mit Mühe wach halten, was keine Kritik der Band darstellen soll, und schlafen mit den
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