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183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes
Autoren: Jo Zybell
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Leibwächter befand, wagte es, dem Schnapshändler zuzustimmen.
    Jamals Krieger aber fluchten und schimpften. Jamal selbst stand mit zornesrotem Kopf auf dem Wehrgang.
    »Das hast du nicht umsonst gesagt, du ungläubige Staubflocke!«, schrie er. »Dafür werde ich dir die Haut bei lebendigem Leib abziehen!«
    »Habt ihr gehört, Bürger Waashtons?« Louis Stock wandte sich an die Menschenmenge. »Die Haut will er mir abziehen, ihr seid meine Zeugen! Bestätigt er nicht das, was ich über ihn und sein Gesindel sagte?« Mit ausgebreiteten Armen und im Gestus eines Predigers stand er auf dem Wehrgang und rief in die Menge auf der Straße hinab. »Wenn ihr solche Mörder und Wegelagerer loswerden wollt, dann rate ich euch: Lasst die Rev’rends in die Stadt hinein!«
    Sabreena horchte auf. Was um alles in der Welt war in das versoffene Schlitzohr Stock gefahren?
    »Wenn ihr eure Frauen wieder nach Anbruch der Dunkelheit allein auf die Straße schicken wollt, wenn ihr euer sauer verdientes Geld ohne Angst zu Louis Stocks Schnapshandlung tragen wollt, wenn ihr wieder ein gesegnetes Alter bei guter Gesundheit erreichen wollt, dann öffnet den Gottesmännern das Tor!« Stock gestikulierte wild. Erregtes Palaver erhob sich. »Wenn ihr wieder Zucht und Ordnung in Waashtons Mauern erleben wollt, lasst sie ein, die Rev’rend-Brüder!«, rief Stock, bevor seine Stimme im allgemeinen Geschrei unterging.
    Sabreena staunte nicht schlecht über die Haltung des Schnapshändlers. Andererseits: Unsichere Straßen, ausgeraubte Menschen und das Klima wachsender Gesetzlosigkeit verdarben ihm seit über einem Jahr die Geschäfte. Sabreena selbst verdiente gut mit ihrer Kneipe, ihrem Bordell und ihrer Hehlerei, seit kein Strom mehr floss und die Engerlinge kaum noch etwas zu sagen hatten.
    »Bürger der verdorbenen Stadt!«
    Schlagartig verstummte Gefluche, Geschrei und Gezanke. Die Menge lauschte, und wer einen Platz auf dem Wehrgang hatte, spähte über die Mauer. Ein Rev’rend auf einem Schimmel hatte sich der Stadt bis auf hundert Schritte genähert. Er trug einen weißen Fellmantel, einen weißen Hut und hatte weißes lockiges Haar. Auch er benutzte den Blechtrichter, um seiner Stimme Gehör zu verschaffen.
    »In einer halben Stunde läuft das Ultimatum des HERRN ab!«, rief er. »Unser Erzbischof Rev’rend Blood, unser Bischof Rev’rend Rage und unser Diakon Rev’rend Sweat schicken mich, den treuen Diener des HERRN Rev’rend Flame, um euch daran zu erinnern!«
    Aus der Wagenreihe hinter dem Weißen lösten sich vier Horsays. Zwei Rev’rends führten das Gespann zur Mauer. Die Tiere zogen das bunte Ding, das die Gottesmänner während der letzten Stunde zusammengebaut hatten. Sabreena kniff die Augen zusammen und versuchte das Gebilde zu erkennen. Es war eine Art Statue.
    »Wir lieben die Sünder, aber wir hassen die Sünde!«, erklärte der weiße Rev’rend unten vor der Mauer. »Doch wenn ihr nicht Buße tut, werden wir nicht zögern euch Sünder mitsamt der Sünde zu vernichten! Öffnet das Tor und heißt uns Willkommen, oder der HERR wird eure Mauer auf die gleiche Weise zerschmettern, wie er dieser sündigen Welt den Fluss und den Funken der Energie genommen hat!«
    Rev’rend Flame wendete sein Horsay und hieb ihm die Absätze in die Flanken. Auf dem Rückenteil seines weißen Mantels prangte ein orangefarbenes Kreuz in der Form züngelnder Flammen. An seinen beiden Brüdern und dem Gespann mit der Statue vorbei ritt er zurück zu den anderen Gottesmännern.
    Einer der beiden Männer, die das Gespann führten, war Rev’rend Sweat, der schwarze Kahlkopf. Er und sein dunkelgrau gewandeter Gefährte führten die vier Horsays bis zur Mauer, spannten sie dort von der Statue los, schwangen sich auf die Rücken der äußeren Tiere und ritten zurück zu dem Wagentross.
    An der Stelle, wo die fast zehn Meter hohe Statue über die Mauerkrone ragte, wichen die Menschen auf dem Wehrgang nach rechts und links zurück. Das bunte Ding war ihnen nicht geheuer. Sabreena beugte sich Dutzende Meter rechts davon über die Mauer, um es genau zu betrachten.
    Es war die Statue einer weißhäutigen Frau in blauen und roten Kleidern. Ihr Gesicht wirkte verhärmt, eine silberne Tränenspur zog sich über ihre bleichen Wangen, und vor der Brust hielt sie ein braunes Holzkreuz fest, an dem ein goldener Mann mit verzerrten Zügen und einer Dornenkrone auf dem Kopf hing. Blutstropfen bedeckten sein goldenes, schmerzverzerrtes Gesicht und seinen
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