Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
des Tieres und seine Stirn waren mit Blech armiert.
    Ein grauer Harnisch aus tellergroßen Eisenplatten schützte seine Brust, seine Flanken und sein Hinterteil.
    Der Reiter links des Rhiffalomanns hatte dunkle Haut, einen kahlen Schädel – so weit Sabreena das auf die Entfernung erkennen konnte –, und auf seinem schwarzen Zylinder, genau wie auf seinem schwarzen Lederponcho und dem Brustharnisch seines Horsays, prangten weiße Kreuze.
    »Der Spruch des HERRN ergeht an Waashton, die Verdorbene, durch den Mund des geringsten Dieners des HERRN, dem der Racheengel des HERRN den Namen Rev’rend Blood verlieh, und so lautet der Spruch des HERRN: Tu Buße, Waashton! Tut alle Buße, ihr Bürger der Verdorbenen…!«
    Die anderen Gottesmänner hatten ihre Wagen angehalten und standen vielleicht vierhundert Schritte entfernt in einem Halbkreis unweit des Potomacufers.
    Wolken aus Pulverdampf schwebten über ihnen. Manche sah Sabreena sich bekreuzigen, manche flehend die Hände gegen den asphaltfarbenen Himmel richten und einige die gefalteten Hände vor die Stirn des gesenkten Hauptes pressen.
    »Sie beten«, flüsterte ein Junge namens Ozzie. Er drückte sich nahe an die furchtlose Frau mit der Augenklappe. »Ich glaube, die Spinner auf den Wagen beten alle.«
    »Schon möglich.« Sabreena spuckte verächtlich über die Mauer.
    »Eure Sünden sind vor den HERRN gekommen und klagen euch an!«, brüllte der Rhiffalo-Reiter namens Blood in seinen Blechtrichter. »Einer treibt Unzucht mit des anderen Weib! Einer lauert dem anderen an den Ecken der Gassen und den finsteren Toreingängen auf! Ihr sauft euch voll mit schwerem Alk, ihr raubt, was euch nicht gehört, ihr lügt einander ins Gesicht und betrügt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang und die ganze Nacht hindurch…!«
    »Verpisst euch!«, schrie einer der Männer auf der Mauer.
    »Ullah ist Gott, und nur er!«, brüllte Jamal. »Ullah Ullalah!«, echoten seine besoffenen Schlächter.
    »Komm endlich zum Punkt, Rev’rend!«, rief Sabreena.
    Sie fröstelte. Eisiger Wind blies vom Atlantik her über den Potomac in die Stadt hinein. Der Himmel sah verdächtig nach Schnee aus.
    »Eure Sünden klagen euch an!«, brüllte der graue Dürre auf dem Rhiffalo wieder. »Habt ihr nicht gehört von den Strafen des HERRN?! Habt ihr nicht gehört, wie er Feuer und Schwefel regnen ließ fern im Osten?! Habt ihr nicht gehört, dass rund um den Globus jeder Stromfluss versiegte, kein elektrisches Licht mehr aufflammte und sich keine Hitze mehr den Energieleitungen von Waffen, Heizungen oder Motoren entrang bis auf den heutigen Tag?«
    Viele Leute auf der Mauer sahen einander betreten an.
    Jamal schüttelte stumm die Fäuste, Sabreena winkte ab, und ein paar Frauen der Glaubenshorde riefen: »Ja, wir haben von der Strafe des HERRN gehört! Schreckliche Strafe! Die uns regierten und Ordnung und Gesetze verschafften, traf sie mit besonderer Härte! Kommt endlich in unsere Stadt und richtet wieder Frieden und Glauben und Gottesfurcht auf!«
    Ein Pfeilhagel sirrte von rechts über Sabreenas Frauen und Männer; abermals zogen sie die Köpfe ein. Die Pfeile fuhren unter die Sektenmitglieder. Schmerzensschreie erhoben sich, ein paar der Gläubigen sackten getroffen auf die Planken des Wehrgangs.
    »Mörderbrut!«, brüllte Rev’rend Blood. »Das Blut, das du vergießt, wird über dich kommen!« Er schüttelte die Faust. »Hört den Spruch des HERRN! Hört das Ultimatum seiner Diener! In zwei Stunden öffnet ihr das Tor, oder die dreizehn Diener des HERRN werden unter euch fahren wie ein Wirbelsturm! In zwei Stunden ziehen wir durch das offene Tor in die verdorbene Stadt ein – oder durch die Lücke, die der HERR selbst in die Mauer reißen wird! Doch dann wird Tod und Verderben jeden dahinraffen, der die Buße verweigert! Waashton soll eine Stadt des HERRN werden oder ein brennender Trümmerhaufen voller Wehklagen und Todesgeschrei…!«
    »Sie meinen es Ernst!«, zischte Sabreena. Sie ging hinter der Mauerkrone auf dem Wehrgang in die Knie und winkte Peewee und Ozzie zu sich. Auch die anderen Frauen und Männer ihrer Gruppe drängten sich um sie.
    »Er meint jedes Wort genau so, wie er es sagt!« Sabreena legte ihre Hände auf Ozzies und Peewees Schultern.
    »Lauft los! Geht zu Trashcan Kid und erzählt ihm, was sich hier abspielt! Ich wette mein Glasauge, dass er und die anderen hier an der Mauer bald dringender gebraucht werden als bei den jämmerlichen Idioten dort unten im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher