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183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes
Autoren: Jo Zybell
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Bunker!«
    ***
    »Ein Himmel wie Leichenhaut, was?« Miss Honeybutt Hardy lehnte an der Tür zum Ruderhaus und starrte hinauf in die schmutzigblaue Tristesse über dem endlosen Meer. Sie hatte sich in Felle und zwei Decken gehüllt. Wie ein altes Leintuch spannte sich der von Wolken schwere Himmel von Horizont zu Horizont. Von Norden her wurde er von Stunde zu Stunde grauer und dunkler. »War vorauszusehen«, sagte der Mann am Kartentisch. Er hieß Sigur Bosh und stammte aus Britana.
    »Die Temperaturen sinken seit zwei Wochen, der Wind hat auf Nordost gedreht.« Auch er hatte seinen drahtigen, fast dürren Körper in Decken gewickelt. »Wir fahren in den Winter hinein.«
    »Ich hasse den Winter, ich hasse die kalten Winternächte.« Honeybutt sah den blonden Britanier von der Seite an. »Aber in diesem Jahr fürchte ich sie nicht.«
    Ein Lächeln flog über ihr schwarzes Gesicht, und sie flüsterte: »Ich habe ja dich.«
    Der Blonde zog die Brauen hoch und sah zu der schwarzen Frau an der Tür des Ruderhauses. Einen Atemzug lang hielten sich ihre Blicke fest. Er lächelte und wusste sonst nichts zu erwidern. Diese Frau überraschte ihn jeden Tag aufs Neue. Und sie machte ihn dankbar.
    Ohne sie wäre er jetzt kein freier Mann.
    »Wie lange noch, was schätzt du, Großer?« Diesmal wandte Honeybutt Hardy sich an den Steuermann. Er hieß Ben-Bakr, trug einen roten Turban auf dem spitzen Schädel und einen wilden grauen Bart im Gesicht.
    »Wenn der Wind anhält, sind wir in zwei Tagen am Ziel.« Ben-Bakr stammte aus einem Land, dessen Küste weit, weit weg im Südosten lag. Dorthin sehnte er sich, nicht nach dem Land, aus dem die schwarze Frau stammte, das sie Meeraka nannte und das er jetzt ansteuerte.
    Miss Honeybutt Hardy fuhr seit knapp sechs Monaten auf der Eusebia, Sigur Bosh seit zwei Jahren, Ben-Bakr sogar seit fünf. Rudersklaven waren sie gewesen, unter der Knute erbarmungsloser Piraten. Eines Tages, in St. Petersburg, war ihr Kapitän an Land gegangen und nie wieder aufgetaucht. Eines Nachts dann war die schwarze Frau aus Meeraka an Bord gekommen, zweimal, dreimal, und irgendwann war sie geblieben. Aber das war eine andere Geschichte. (die in MADDRAX 171 »Todfeinde«
    erzählt wurde.)
    Honeybutt blickte zum Bug des Schiffs. An Steuerbord holte ein gewisser Hagenau aus Doyzland das Senkblei ein, um es sofort backbords wieder im Meer zu versenken. Völliger Blödsinn natürlich – der Atlantik war hier etwas mehr als tausend Meter tief. Das war seit Tagen, ja seit Wochen so, und das würde sich in den nächsten dreißig Stunden auch nicht ändern.
    Die Wahrheit war: Hagenau hatte sich auf Crows Seite geschlagen und beobachtete in seinem Auftrag das Schiff.
    Vor allem die hintere Hälfte des Dreimasters. Dort nämlich, von den Luken des Laderaums bis zum Heck, erstreckte sich Mr. Blacks Hoheitsgebiet. Die Schiffshälfte von den Treppenabgängen in die Laderäume bis zum Bug war Arthur Crows Reich. Er und sein Sergeant, ein relativ harmloser Mensch namens Peterson, hatten das so gewollt.
    Außer Hagenau gab es noch einen zweiten Mann, der es mit Arthur Crow hielt: Horstie von Kotter, ehemaliger Rudersklave wie Hagenau, wie Sigur Bosh und Ben-Bakr und die meisten Männer an Bord der Eusebia. Von Kotter hatte sieben Jahre lang angekettet auf der Ruderbank im Unterdeck gelebt, auch er war Doyzländer. Honeybutt fragte sich manchmal, was für ein Mensch sieben Jahre in Ketten auf einer Ruderbank überleben konnte. Sie hatte eine Menge erlebt, aber diese Frage konnte sie dennoch nicht beantworten.
    Wenn man den Gerüchten an Bord glauben wollte, hatte Crow von Kotter den Posten des Weltrat-Militärchefs im Rang eines Colonels versprochen.
    »Militärchef« und »Colonel« – das klang natürlich nicht schlecht, auch wenn von Kotter ganz gewiss nie zuvor etwas von einem Weltrat gehört hatte. Ob es etwas, das diesen Namen verdiente, überhaupt noch gab?
    Honeybutt Hardy hegte da starke Zweifel.
    Hagenau hatte angeblich Chancen, Crows neuer Adjutant zu werden. Hardy fragte sich, wie der treue Sergeant Peterson wohl mit dieser Aussicht zurechtkommen würde.
    Aus der Luke zum Laderaum streckte Mr. Hacker seinen kahlen schwarzen Schädel. Er winkte Honeybutt zu sich. Sie stieß sich von der Wand des Ruderhauses ab.
    »Die Pflicht ruft«, seufzte sie.
    Hinter Mr. Hacker her stieg sie ins Unterdeck hinab.
    Auch dort und sogar ein Stockwerk tiefer, in den Laderäumen, galt die Zweiteilung der Eusebia: Die Bughälfte für
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