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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ludwig Rellstab
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satirische Betrachtung verdichtete sich zu einem kleinen Roman, der 1826 unter dem Titel »Henriette, oder die schöne Sängerin. Eine Geschichte unserer Tage von Freimund Zuschauer«, in Leipzig bei F. L. Herbig erschien.
    Über die sensationelle Wirkung dieser kecken und derben Satire berichtet ein Zeitgenosse, Varnhagen von Ense, in seinen Tagebuchaufzeichnungen, den »Blättern aus der Preußischen Geschichte«, unterm 31. März 1826: »Hier ist ein Buch angekommen «Henriette, die schöne Sängerin», worin mit Bezug auf die Mlle. Sontag eine Menge von hiesigen Persönlichkeiten und Ärgernissen oft sehr beißend vorgebracht werden. Die Anbeter der Mlle. Sontag, unter ihnen der alte Kommandant General von Brauchitsch und der englische Gesandte, Lord Clanwilliam, die Tagesschriftsteller und Rezensenten, die Schauspieler und Schauspielerinnen, sind nicht geschont. Von Clanwilliam werden die Geschichten mit dem Federbusche des Majors von Meiring, mit den Prügeln von den Kanonieren und anderes dergleichen, alles zwar mit verstellten Namen, aber doch unverkennbar, mitgeteilt. Das Buch ist in Leipzig gedruckt, mit dem Namen des Verlegers; es ist schon kein Abdruck davon mehr zu haben, man riß sich um die in den Buchläden angekommenen. Die ganze Stadt ist mit dieser Sache beschäftigt, man rät alle schlechten und gemeinen Schriftsteller durch, um den Verfasser ausfindig zu machen. Daß Clanwilliam endlich sein Teil bekommen hat, gereicht zum besten Vergnügen. Auch am Hofe macht das Buch Aufsehen, und wird mit gehöriger Schadenfreude gelesen. Der Kronprinz soll seine unerschöpfliche Lust daran finden, und das Buch sehr talentvoll und geistreich nennen. Andre, sonst ganz Unbeteiligte, sagen, es sei platt und gemein, und der Verfasser habe sich dem Teufel umsonst ergeben.«
    Rellstabs »Henriette« ist noch heute lustig zu lesen, sie ist geschickt erfunden und mit Witz und Humor geschrieben. Varnhagens Bericht sagt schon, gegen wen sich die Satire darin richtet; die Sängerin selbst spielt in dem Roman eine durchaus sympathische Rolle, wenn ihr auch eine derartige Verherrlichung in Verbindung mit dem dadurch verursachten Skandal denkbar peinlich sein mußte. Die Einkleidung der satirischen Bosheiten war so dürftig wie nur möglich, über die Identität der gemeinten Personen konnte kein Zweifel bestehen, und außerdem waren sie mit nur leicht maskierten Namen bezeichnet: Ruhwitz ist Gubitz, der Herausgeber des »Gesellschafter«, Raupenbach der Dramatiker Ernst Raupach, Schillibold Arecca ist Wilibald Alexis, Puckbulz der Theaterkritiker Friedrich Schulz, der in Berlin allgemein »Spuckschulz« genannt wurde, usf. Schwer beleidigt fühlte sich von allen jedoch nur einer, der englische Gesandte, der eine Zeitlang für den Bräutigam der Sängerin galt, sich die derbe Züchtigung in Rellstabs Roman aber durch sein stadtbekanntes Benehmen völlig verdient hatte. Statt den Beleidiger vor die Pistole zu fordern, bearbeitete er das Ministerium des Auswärtigen, gegen Rellstab wegen Verletzung des Völkerrechts durch Beleidigung eines Gesandten gerichtlich vorzugehen, und nach eineinhalbjährigem Prozeß wurde der Verfasser der »Henriette« zu drei Monaten Festungshaft verurteilt, die er im Sommer 1828 in Spandau absaß.
    Mittlerweile war Rellstab aber bereits eine kritische Macht in Berlin auf musikalischem Gebiete geworden. Mochte seine »Henriette« auch nicht gerade ein erfreuliches Produkt sein, so hatte sie doch bewiesen, daß ihm alle Waffen der Kritik und Satire zu Gebote standen, und da seine Musikkenntnis außer Zweifel war, übertrug ihm der Eigentümer der »Vossischen Zeitung« im Herbst 1826 das ständige Referat für die Oper und Musik. Das erste Jahr dieser seiner Wirksamkeit war an musikalischen Ereignissen ersten Ranges so überaus reich, daß sich ein geschickter Journalist, noch dazu mit einer solch plötzlichen Berühmtheit beglückt, bei dem allgemein gespannten Interesse im Flug einen großen Leserkreis erobern mußte. Ein »Jubeljahr des Gesanges« war mit 1827 eingezogen, denn die Namen einer Catalani, Nannette Schechner, Wilhelmine Schröder-Devrient, Anna Milder und Henriette Sontag prangten hintereinander auf den Theaterzetteln der Königlichen Bühne oder der Königsstadt, und der einmal entfachte musikalische Enthusiasmus der Berliner Bevölkerung kam kaum mehr zu Atem.
    Das großstädtische Terrain war demnach für einen jungen Schriftsteller überaus günstig, und Rellstab versäumte auch
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