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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ludwig Rellstab
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lernte, und kehrte dann wieder heim, da geschäftliche Dinge seine Anwesenheit in Berlin notwendig machten.
    Ein Freund von der Kriegsschule, namens Laue, hatte nach seinem Abschied vom Militär eine Buchhandlung begründet, und Rellstab war ihr Teilhaber geworden; zunächst wollte er dem Freunde behilflich sein zur Begründung einer Existenz, dann war er schon durch die Erbschaft seines Großvaters und den Verlag seines Vaters mit diesen Geschäften einigermaßen vertraut, und schließlich war dies der bequemste Weg, seine eigenen ersten Werke schnell zum Druck zu bringen. Diese Unternehmung fesselte ihn nun an Berlin, aber nebenbei begann er jetzt, sich als Musikschriftsteller mit Beiträgen für die »Berliner allgemeine musikalische Zeitung« die ersten kritischen Sporen zu verdienen. Damit begann eine Tätigkeit, die ihm zu einem Lebensberuf wurde, und dieses sein engeres Bündnis mit der Musik erhielt gewissermaßen seine Weihe durch die Bekanntschaft Rellstabs mit Beethoven. Im Frühjahr 1825 war er nach Wien gereist, hatte die Vertreter der dortigen Literatur, Friedrich Schlegel, Franz Grillparzer, Karoline Pichler, den Humoristen Castelli usw. besucht und war sogar in die berühmte Gesellschaft »Ludlamshöhle« unter dem Spitznamen »Spreesprung der Kühne, Ludlams Constabler« aufgenommen worden. Eine Empfehlung Zelters führte ihn bei Beethoven ein, und der große Komponist, dessen Kraft ein trübes Schicksal schon damals fast gebrochen hatte und der als menschenscheuer Einsiedler in Wien lebte, fühlte sich von der enthusiastischen Schwärmerei des jungen Berliners so angezogen, daß er ihn nach vielen Stunden gemeinsamer Unterhaltung über Opern und Gedichte, die Rellstab entwarf oder ihm vorlegte, mit Umarmung und Kuß entließ, ein Erlebnis, auf das dieser mit Recht stolz sein durfte. Aber auch diesmal machte der Tod allen Plänen ein Ende, Beethoven starb zwei Jahre später; ein Teil der ihm von Rellstab übersandten Gedichte gelangten später an Schubert, der auch eine Anzahl davon komponiert hat.
    In Wien hörte Rellstab, zum erstenmal Henriette Sontag, deren Namen bald darauf so oft mit dem seinigen genannt werden sollte. Am 3. August 1825 trat die Sängerin in Berlin auf, auf dem Theater der Königsstadt, die sich zur Hebung ihrer schlechten Finanzen den eben neu aufgegangenen Stern durch die Gewandtheit ihres Theatersekretärs Karl von Holtei gesichert hatte, und nach wenigen Tagen war die preußische Hauptstadt der Schauplatz eines Theatertaumels, wie ihn die Geschichte nicht ähnlich wieder gesehen hat. Diese sprichwörtlich gewordene »Sontagzeit« war in der Tat ein historisches Ereignis; der Enthusiasmus des Volkes, der in jener Epoche der politischen Reaktion ohne jedes Ziel war, warf sich mit explosiver Wucht auf eine Erscheinung, die jenseit aller öden Wirklichkeit lag. Es blieb nicht bei den alles Dagewesene überschreitenden Ovationen im Theater- und Konzertsaal; die Begeisterung setzte sich auf die Straße fort; man bestreute den Weg der Sängerin bis zu ihrem Hause mit Blumen, die Regimentsmusikchöre spielten bis spät in die Nacht hinein vor ihren Fenstern, und ein königlich Preußischer Dichter, Friedrich Förster, ließ, mit Rücksicht auf ein von ihr beabsichtigtes Gastspiel in Paris, sogar ein Gedicht drucken, das mit der Drohung endete: wenn etwa die Franzosen die Sängerin in Paris zurückhalten wollten, würden die Preußen zeigen, daß sie ihre Viktoria nochmals von dort heimholen könnten. Dieser Sontagtaumel einigte hoch und niedrig, Adel und Bürgertum; selbst der König und sein Hof gaben sich ihm hin. Die Sängerin wurde mit kostbaren Geschenken überhäuft und durfte aus den Fenstern des königlichen Palais einer Parade zusehen, was höchstens fürstlichen Gästen geboten wurde. Von Berlin ist der Ruhm dieser Sängerin ausgegangen, und die dortige Begeisterung setzte sich wie ein nichts verschonender Brand durch Deutschland und Europa fort.
    Dem Satiriker, der in Rellstab immer stark war, und besonders in jenen grünen, kritischen Jahren, war mit den Auswüchsen dieser Begeisterung natürlich ein dankbarer Stoff geboten. Er war musikverständig genug, um der Kunst des vergötterten Gastes auch seine Huldigung zu Füßen zu legen; er war keineswegs ihr Gegner, wenn er auch nicht blind gegen ihre Schwächen war; er hat ihr sogar begeisterte Verse der Verehrung gewidmet. Der maß- und kritiklose Taumel der ganzen Öffentlichkeit aber reizte seine Spottlust, und seine
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