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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht
Autoren: Stephanie Seidel
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Jungen aber nicht aus den Augen. Daa’tan hatte zwar Schwimmen gelernt – das war ein positiver Aspekt der ansonsten betrüblichen Situation –, doch er überschätzte oft seine Kräfte.
    (Bleib in Strandnähe, Daa’tan!)
    (Ja, ja!) Der äußerlich Zwölfjährige schnitt eine Grimasse, während er sich in den Sand setzte und die Stiefel auszog. Nie durfte man was! Alles war gefährlich, jeder war ein Feind – bei Sol’daa’muran! Hörte das denn nie auf?
    (Es hört auf, wenn du erwachsen bist!) , sagte die Daa’murenstimme in seinem Kopf. (Ich hüte dich nicht zum Vergnügen, Daa’tan! Gedenke deiner Aufgabe!) (Tag und Nacht, Grao! Aber wie soll ich sie ausführen? Wir hängen hier fest!)
    Daa’tan ließ seine Kleidung fallen und rannte in die schäumende Brandung. Er lachte, als sie ihn umspülte. Es war so angenehm, so erfrischend! Ein Kopfsprung, dann war er in tiefem Wasser und schwamm los. Ein Schwarm bunter Fische begleitete ihn, Wind streichelte sein erhitztes Gesicht, und aus dem nahen Mangrovenwald scholl das Geschrei exotischer Vögel.
    Auf Mee’lay erinnerte kaum noch etwas an den furchtbaren Sturm, der hier vor ein paar Wochen gewütet hatte. [1] Grao’sil’aana und Daa’tan waren dem herantobenden schwarzen Tornadorüssel mit knapper Not entkommen; ihre Mitreisenden nicht. Daa’tan trug dabei eine Verletzung davon. Grao’sil’aana pflegte ihn gesund und brachte ihn später an die Küste.
    Und hier saßen sie nun. Wochenlang hatte sich in der Meeresenge von Malakka kein Schiff blicken lassen, nicht einmal ein Piratensegler, obwohl die Freibeuter auf der Insel gegenüber zuhause waren. Zwar tauchte während eines Wolkenbruchs mal ein Schoner auf, doch er wurde vom Blitz getroffen und fing Feuer. Ein einziger Passagier schaffte es bis zum Strand von Mee’lay. Er war schwer verletzt und starb wenig später, berichtete den beiden aber noch, dass der Schoner eine Gruppe Telepathen an Bord gehabt hatte. Sie wollten einen brennenden Felsen suchen – und zwar in Ausala(Australien)!
    Seitdem war Grao etwas angespannt, erinnerte sich Daa’tan, während er gemütlich durch die Wellen schwamm. Er selbst hatte keine Lust, die Insel zu verlassen, schließlich gab es hier viel zu erforschen.
    Außerdem war es nur eine Frage der Zeit, bis die gefährlichen Sumatra-Piraten endlich wieder in Erscheinung traten.
    (Du solltest an Land kommen, Daa’tan! Hinter dir ragt eine Flosse aus dem Wasser!) , warnte Grao’sil’aana. Sein Schützling fuhr zusammen. Was verfolgte ihn? War es ein Shaaka , der gefürchtete Riesenhai? Daa’tan hatte den Mörderfisch schon mehrmals bei der Jagd beobachtet – aus sicherer Entfernung –, und die Bilder der zerfetzten Opfer gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Angst erfasste ihn, setzte ungeahnte Kräfte frei. Der Zwölfjährige floh durch schäumendes Wasser ans Ufer zurück.
    Grao’sil’aana saß entspannt unter den Palmen und sah ihm zu. Daa’tan wusste tief im Inneren, dass der Daa’mure geblufft hatte; dennoch brachte er es nicht fertig, sich umzudrehen. Es konnte ja sein, dass Grao doch die Wahrheit sagte und dass sich genau jetzt, in diesem Moment, hinter ihm ein riesiges Maul voller Reißzähne öffnete.
    Daa’tan spürte ein Kribbeln im Nacken, verhaspelte sich in der Bewegung und sank. Wellen überspülten ihn.
    Er schlug um sich.
    (Grao! Hilf mir! Ich schaffe es nicht!) (Doch, du schaffst es.)
    Die Daa’murenstimme klang irgendwie gelangweilt, fand Daa’tan. Er war empört: Sein Leben stand auf dem Spiel, und keinen kümmerte es! Zorn kroch in ihm hoch, überdeckte alle anderen Gefühle. Daa’tan konzentrierte sich, schwamm ans Ufer und rannte ein Stück den Strand hinauf. Dann drehte er sich um.
    Das Meer war glatt und glänzend. Weit und breit kein Hai zu sehen!
    »Du bist gemein, Grao!«, schmollte Daa’tan, als er den Daa’muren erreichte.
    (Keinesfalls. Ich wollte dir eine interessante Erkenntnis vermitteln!)
    »Ach, ja?« Daa’tan packte einen seiner Stiefel, trat hinein und bückte sich nach dem zweiten. Wasser troff aus seinem Haar. »Und die wäre?«
    (Angst ist ein Werkzeug! Lerne mit ihr umzugehen, dann kannst du die Primärrassenvertreter manipulieren. Das ist hilfreich in schwierigen Situationen! Wenn du dich geschickt anstellst, merken sie nicht einmal, dass ihr Handeln deinen Wunsch reflektiert.)
    »Pah! Sie sollen ruhig wissen, wer sie beherrscht!«
    (Du beherrschst sie aber nicht! Du gewinnst nur einen kurzfristigen Vorteil! Und
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