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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht
Autoren: Stephanie Seidel
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lass dich nicht ständig von Emotionen leiten, Daa’tan! Merk dir: Eitelkeit kann töten!) Grao’sil’aana ergriff eine Ko’koo, holte aus und zertrümmerte ihre harte Schale an einem Stein. Er gab dem Jungen ein Stück Fruchtfleisch. (Nun iss etwas!
    Danach widmen wir uns wieder deiner Fortbildung. Heute möchte ich, dass du eine neue Sprache lernst!)
    »Och, nö!«, maulte Daa’tan, schüttelte den Sand aus seinem Hemd und schlang es um die Hüften. »Kannst du mir nicht mal was Nützliches beibringen?«
    (Sprachen sind nützlich!)
    »Aber Kämpfen ist nützlicher!« Daa’tans Augen begannen zu funkeln. Er nahm die Haltung eines Kriegers ein, schwang ein imaginäres Schwert und drosch damit auf den Daa’muren ein.
    »Nimm das , du frecher Angreifer! Kch, kch! Und das ! Ergib dich, oder ich werde…« Der Zwölfjährige brach ab; etwas geschah mit ihm. Er konnte noch sehen und hören und die salzige Meeresluft riechen, aber sein Körper gehorchte plötzlich einem anderem!
    Daa’tans Füße setzten sich in Bewegung. Sie wanderten mit ihm vor Grao’sil’aana hin, der schweigend sein Essen einnahm. Als sie stehen blieben, flog Daa’tans Arm seitlich aus. Die Hand wurde flach, schnellte zurück und klatschte dem Jungen ins Gesicht.
    Gleich darauf war der Spuk vorbei.
    »Au!« Daa’tan rieb sich die getroffene Wange.
    (Erstens) , sagte Grao’sil’aana, ohne den Kopf zu heben.
    (Ein Daa’mure ergibt sich nicht. Und zweitens: Wenn du schon jemandem den Kampf ansagst, dann sieh zu, dass deine Bewaffnung stimmt! Mit Luftschlägen kann man keinen Gegner besiegen. Übe dich lieber in mentaler Beeinflussung –
    du hast ja gerade gemerkt, wie effektiv sie ist.)
    »Mann! Es war doch nur ein Spiel!«, murmelte Daa’tan vorwurfsvoll.
    (Spielen ist ein Zeitvertreib für Wesen mit unreifem Verstand. Soll ich dich als solches betrachten?)
    »Du bist wirklich gemein, Grao, weißt du das?«
    Daa’tan wandte sich um und stapfte davon. Seine Augen schimmerten feucht.
    (Mein Name ist Grao’sil’aana, und ich akzeptiere deine saloppe Ausdrucksweise nicht länger! Assimiliere sie an meine Vorgaben, sonst wirst du bestraft!)
    »Assimilieren, ja?« Daa’tan fuhr herum, zornrot im Gesicht. Er kam zurück und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Jetzt frag ich dich mal was! Erinnerst du dich an die nukleare Kettensprengung am Kratersee, die den Wandler starten sollte? Das ist über ein Jahr her.«
    Er beugte sich lauernd vor. »Was, wenn der Sol es noch mal versucht hat?« Seine Augen wurden zu Schlitzen. »Was, wenn es geklappt hat und die Daa’muren sind gar nicht mehr da ?«
    Grao’sil’aanas Blick begann kaum merklich zu flackern. Daa’tan nickte triumphierend. »Dann wärst du ganz allein, Grao! Unter lauter Primärrassenvertretern! Sag mir: Wer assimiliert dann wen?«
    (Du spekulierst über eine Situation, die niemals eintreten wird) , antwortete der Daa’mure. Seine Stimme war kalt wie immer, doch die Worte klangen lahm.
    Daa’tan merkte, dass er einen Nerv getroffen hatte mit seiner Frage nach den Außerirdischen. Er glaubte zwar selber nicht, dass sie Grao’sil’aana zurücklassen würden, aber ein Erdenjahr war lang, und seit der letzten Begegnung mit dem Sol (Juli 2521, [2] ) gab es keinen Kontakt mehr. Am Kratersee konnte inzwischen alles Mögliche passiert sein!
    Daa’tan suchte gerade nach dem schrecklichsten denkbaren Szenario, um Grao’sil’aana weiter zu zwiebeln, als der Daa’mure hochfuhr.
    (Da!) Grao’sil’aana zeigte erregt aufs Meer. (Ein Schiff!
    Schnell, Daa’tan – wir müssen uns bemerkbar machen!)
    ***
    »Kapitaan, wir sollten beidrehen! Da sind zwei Schiffbrüchige auf Mee’lay!«
    »Woher weißt du, dass es Schiffbrüchige sind?«, fragte Kapitaan Bell gleichgültig. Er saß am Heck der Roter Bhagar (ein tibetanischer Falke mit enormer Spannweite), einer Zweimast-Brigantine mit Kurs auf Java, und nahm sein Mittagessen ein: gekochte Wisaau in Minzblättern.
    Der Matrose schielte darauf und schluckte begehrlich, ehe er antwortete. »Die beiden stehen am Strand und winken zu uns herüber.«
    »Ach!«
    Bell machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die sind nur freundlich und wollen uns grüßen.«
    »Das glaube ich nicht, Kapitaan.«
    Bells Kopf ruckte hoch. Seine Augen wurden schmal.
    »Ich bin nicht zum Spaß in diesen Gewässern unterwegs, Sam, und ich werde ganz sicher nicht irgendeine Insel ansteuern, nur weil du glaubst , dass es da Schiffbrüchige gibt!«
    Der Bootsmann trat
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