Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
dir. Wir sollten dich übrigens töten, sobald das Versteck gefunden war. Das hat uns dein netter Kapitaan befohlen.«
    Einen Moment herrschte tiefe Stille. Dann sagte Daa’tan etwas, und Crologg genoss die Enttäuschung, die in der Stimme des Jungen mitschwang.
    »Ihr habt mich alle nur benutzt? Es war alles nur gelogen?«
    »Tja, so ist das Leben, Kleiner! Schade, dass du diese Erkenntnis nicht mehr nutzen kannst. Aber wenigstens stirbst du nicht dumm.« Crologgs Grinsen gefror, als plötzlich ein metallisches Schaben erklang. Es hörte sich an wie ein Eisendeckel, der sich in der Fassung drehte, und es kam von unten! Ihm folgte der dumpfe Aufschlag eines schweren Gegenstandes. Kleidung schabte über den Boden, und Crologg runzelte die Stirn. Was hatte das zu bedeuten?
    Daa’tan meldete sich zu Wort. Seine Stimme hatte sich verändert. Da war keine Enttäuschung mehr, keine Verzagtheit – nur Kälte. Sie ließ Crologg erschauern.
    »Verlass dich darauf: Ich werde diese Erkenntnis nutzen! Und damit du Bescheid weißt, auch wenn es für dich keine Rolle mehr spielt: Nuntimor gehört mir!«
    Dann verstummte der Junge, und mit ihm alle anderen Geräusche. Crologg lauschte in die totale Finsternis, wartete mit wachsender Angst auf ein Wort, eine Berührung vielleicht – irgendwas. Doch es kam nichts.
    Die Stille war vollkommener, als sie hätte sein dürfen.
    Crologg brauchte eine ganze Weile, um den Grund dafür zu erkennen.
    Daa’tan war fort.
    ***
    Der Junge konnte sein Glück nicht fassen. Es war pure Nervosität gewesen, die ihn an dem Bodenrelief herumspielen ließ, das er und Crologg in dem Raum entdeckt hatten. Da war kein Hinweis auf Nuntimor gewesen, kein besonderes Zeichen. Nur Kringel aus Stein. Einer von ihnen war unter Daa’tans Fingern zur Seite geruckt, dann hatte sich das ganze Ornament ein Stück um sich selbst gedreht und war in die Tiefe gefallen.
    Nun, ja – tief war es nicht wirklich. Daa’tan kroch auf allen Vieren durch einen Tunnel, der direkt unter dem Raum lag. Er war schmal und völlig lichtlos, konnte jederzeit in einer Sackgasse enden oder mit tödlichen Fallen aufwarten.
    Das tat er aber nicht. Nach ein paar Metern hatte Daa’tan das Gefühl, die enge Röhre würde aufwärts führen. Wieder ein Stück weiter stieß er unsanft an eine Stufe. Er griff nach oben und stellte fest, dass die Decke fort war.
    Daa’tan richtete sich auf, ließ die Hand in Kopfhöhe an der Wand und ertastete den Weg. Am Ende der Treppe kam er auf ebenen Boden. Sieben, acht Schritte, dann stießen seine Finger an ein Hindernis. Es war eine Halterung aus Eisen, und sie umfasste…
    »Eine Fackel!«, sagte Daa’tan erstaunt. Hastig durchwühlte er seine Taschen nach einem Flintstein. Er fand ihn, schlug ihn blind an die Wand. Funken sprühten. Daa’tan erfühlte das dick umwickelte Fackelende, brachte es in Stellung, klopfte verbissen weiter. Manchmal glitt er ab, und seine Knöchel schrammten das Gestein entlang. Doch er biss die Zähne zusammen und machte weiter. Es musste einfach gelingen!
    Funken fielen auf das ausgetrocknete Werg. Es qualmte, glomm – und explodierte unvermittelt in helle Flammen. Daa’tan kniff die Augen zu; das Licht schmerzte wie Nadelstiche nach der langen Dunkelheit.
    Als er seine Tränen weggeblinzelt hatte, bemerkte er den Eingang. Keine Tür, kein Hindernis, nein. Vielmehr ein weites gemauertes Portal. Daa’tan stand direkt davor.
    Es führte in ein Gewölbe, und was dort zu sehen war, entschädigte den Jungen für alle Angst und Mühe.
    »Nuntimor!«, flüsterte er.
    Daa’tan setzte sich in Bewegung, betrat eine Kammer voll atemberaubender Schätze. Manch anderen hätte das viele Gold – echtes Gold! – oder die uralten kostbaren Statuen verzückt. Aber Daa’tan hatte nur Augen für sein Schwert. Es hing an der hinteren Wand, in einer einfachen Halterung, und es zog ihn so magisch an wie es nur jemand vermochte, dem das eigene Herz zur Gänze gehört.
    Der Zwölfjährige blieb vor Nuntimor stehen. Er war überwältigt. So schön hatte das Schwert selbst in seiner Vorstellung nicht ausgesehen! Er betrachtete jedes Detail mit dem Stolz des Besitzers – die glänzende Klinge, den Drachengriff mit seinen Rubinen und Goldeinlagen, die scharfen Flügelzacken am Ansatz. Versonnen streckte Daa’tan die Hand aus und ließ seine Finger an Nuntimor entlang gleiten. Wem mochte es gehört haben? Wie viele Schlachten hatte es geschlagen? Und wie verlässlich war es beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher