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1763 - Einer sieht alles

1763 - Einer sieht alles

Titel: 1763 - Einer sieht alles
Autoren: Jason Dark
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es Dinge, die man unter vier oder sechs Augen bereden muss. Da soll dann kein Fremder große Ohren kriegen.«
    »Verstehe schon.«
    Jane sprach den Wirt noch mal an. »Dann erklären Sie mir, wo sie wohnt.«
    Frog zog die Nase hoch. »In einer WG.«
    »Wie schön für sie. Nur nicht für uns. Wir wissen nicht, wo sich diese WG befindet. Wohl hier in der Nähe. Aber wo müssen wir hin?«
    »Das ist nicht weit.«
    »Erklären Sie es trotzdem, bitte.«
    Frog nickte. Dann fing er an zu reden. Jane brachte ihr Gesicht in Sicherheit, weil Frog eine feuchte Aussprache hatte. Aber er kam zum Ziel, und ich konnte sogar mithören, so laut hatte er gesprochen.
    »Na, das ist doch schon was. Wir bedanken uns.« Jane lächelte und nickte. Sie bezahlte unsere Getränke und deutete auf eine Uhr an der Wand. »Werden Sie schließen?«
    »Ja, wenn Sie weg sind. Da mache ich dann erst morgen Mittag wieder auf. Können Sie sich merken.«
    »Vielleicht.« Jane schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. »Und schönen Abend noch.«
    »Ja, Ihnen auch.«
    Ich wartete an der Tür auf Jane, um mit ihr zusammen in den Eiskeller zu gehen.
    Es war noch nicht zu spät, um einen Besuch zu machen, auch wenn die junge Frau in einer WG lebte...
    ***
    Nein, das war kein Irrtum. Sie hatte die Stimme tatsächlich gehört, und sie war nicht weit von ihr entfernt, das jedenfalls nahm sie einfach mal an.
    Nancy Wilson lag starr auf ihrer Matratze. Sie war nicht fähig, etwas zu tun, geschweige denn, eine Frage zu stellen, sie starrte nur nach oben, denn von dort irgendwo hatte sie das Flüstern erreicht.
    Jetzt auch wieder. »Ich sehe alles. Verstehst du? Alles! Ich habe dich gesehen bei deinem jämmerlichen Raubzug. Ja, jämmerlich. Mehr kann man dazu nicht sagen. Aber es ist dein Leben...«
    Ja, das war es auch. Nancy hatte sich bisher immer durchgeschlagen. Sie schlug sich auch weiterhin durch, und wie sie das tat, das ging andere Menschen einen Dreck an.
    Aber wieso sah er alles und warum beobachtete er gerade sie? Was war sein Motiv? Und wer war er überhaupt?
    Sie hätte diese Fragen gern gestellt, aber wem?
    Wer sah das alles? Bisher hatte sie nur die Stimme gehört, und jetzt musste sie sich fragen, zu wem sie passte. War es ein Mensch? War es ein Geist?
    An Geister glaubte sie nicht, an Menschen schon. Aber besaßen Menschen diese Macht, sich so präsentieren zu können? Das war die Frage, und wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, sie kannte keine Person, der so etwas zuzutrauen war.
    Und doch war sie vorhanden. Sie war nicht mehr allein in ihrem Zimmer. Sie spürte die Anwesenheit des anderen, des Absurden, denn sie glaubte plötzlich, von etwas berührt zu werden, das nichts anderes war als ein Hauch, der ihren Nacken kurz streifte und dann wieder verschwunden war.
    Oder gab es diesen Traum der Menschen doch, unsichtbar zu sein? Das wäre perfekt gewesen. Davon hätte sie vielleicht profitieren können, aber das waren Träume, die sich nie erfüllen würden. Dennoch hatte es etwas Faszinierendes an sich, daran zu denken und den Gedanken auch weiter zu spinnen. Es tat ihr zudem gut, denn so befreite sie sich von ihrer Angst.
    Er sah alles.
    Er würde auch sehen, dass sich Nancy jetzt bewegte und ihre liegende Haltung aufgab. Sie setzte sich hin und blieb in dieser Haltung, denn sie traf keinerlei Anstalten, ihre Matratze zu verlassen, um dann aus dem Zimmer zu laufen. Irgendwie musste sie mit dem Eindruck zurechtkommen, dass die andere Seite es nicht zulassen würde, obwohl die ja nicht zu sehen war.
    Es passierte nichts. Man ließ sie sitzen. Zeit verstrich, in der es still war oder sie nur ihre eigenen Atemgeräusche hörte. Das passte ihr auch nicht, und sie suchte nach einer Möglichkeit, etwas zu ändern. Obwohl sie nicht wusste, wer die andere Seite war, nahm sie allen Mut zusammen und sprach sie an.
    Sie schickte dabei ihre Frage ins Leere und sprach mit halblauter Stimme. »Bist du noch da?«
    Jetzt hätte man ihr antworten können oder müssen, aber das geschah nicht. Es blieb still, niemand ließ sich blicken, und das wiederum ärgerte sie.
    »He, ich habe dich was gefragt!«
    Die Stille blieb. Auch aus den Nebenzimmern hörte sie nichts. Keiner redete laut, niemand hatte eine Glotze laufen, es war eine nächtliche Stille eingetreten.
    Man sah sie. Aber wer sah sie? Und wo hockte der heimliche Beobachter? Es waren die Fragen, auf die sie keine Antwort wusste, dabei waren die doch so wichtig.
    Je mehr Zeit verstrich, umso unwohler
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