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1763 - Einer sieht alles

1763 - Einer sieht alles

Titel: 1763 - Einer sieht alles
Autoren: Jason Dark
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rasch wie möglich ihr Zuhause zu erreichen.
    Es war eine Wohnung, die sie mit mehreren Menschen teilen musste. Wohngemeinschaft sagte man dazu. Sie hatte Glück gehabt, dort unterkriechen zu können, denn diese Wohnung war von einer Gesellschaft angemietet worden, die sich um Menschen kümmerte, denen es nicht so gut ging.
    Die Mitglieder mussten auch einen Mietzins zahlen, doch der war kaum der Rede wert. Es gab Mitbewohner, die das Geld vom Amt bekamen, andere, wie Nancy Wilson, lebten von Jobs oder von Diebstählen, wie es bei Nancy immer wieder geschah, wobei sie den anderen nichts sagte und das geraubte Geld immer gut versteckte. Die Scheine trug sie meist direkt am Körper, oft auch an und unter den Füßen.
    Der Raubzug in dieser Nacht hatte ihr gut getan. Er hatte zwar nicht viel gebracht, aber zumindest so viel, um die nächsten Wochen überstehen zu können. Sie war ja genügsam, und mit der Zeit konnte sie sich wieder ein neues Opfer aussuchen.
    Es sah nicht schlecht aus. Sie war mal wieder zufrieden. Wie ihr Leben in der Zukunft aussehen würde, das wusste sie nicht. Darüber machte sie sich auch keine Gedanken. Bisher hatte es noch immer geklappt. Allerdings war ihr auch klar, dass sie ohne einen gelernten Beruf dumm dastand. Auf den Strich wollte sie nicht gehen. Da hatte sie schon zu viel Negatives gehört. Mit ihren achtzehn Jahren galt sie als erwachsen, doch das war sie nicht wirklich. Manchmal, wenn sie wieder einen Deprie-Flash hatte, fing sie an zu heulen. Dann verfluchte sie sich und die ganze Welt. Ihre Erzeuger eingeschlossen, die eine Tochter wie sie längst abgeschrieben hatten.
    Sie eilte weiter durch die Dunkelheit und die eisige Kälte. Mit der billigen Jacke war es kaum möglich, sich gegen die Kälte zu schützen. Auch ihre Füße schienen in einem Eisfach zu stecken, aber zum Glück war es nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel.
    Das Haus lag in einer Seitenstraße, direkt neben einer Autoreparaturwerkstatt, die von zwei jungen Leuten betrieben wurde. Es gab keine Mauer, die die beiden Grundstücke trennte. Das eine ging in das andere über.
    Das Haus war alt. Es stand auch schief. Man musste damit rechnen, dass es beim nächsten schweren Sturm zusammenkrachte, aber bisher hatte es allen Widrigkeiten getrotzt.
    Nicht alle Fenster waren dunkel. Hinter einigen brannte Licht. Sie sahen aus wie Hoffnungsfeuer in einer eisigen Umgebung.
    Nancy Wilson war es leid, noch länger in der Kälte zu bleiben. Sie eilte auf die Haustür zu. Manchmal war sie abgeschlossen, dann wieder nicht. Sie suchte nach dem Schlüssel, um sie öffnen zu können, wenn sie zu war. Der Griff in die Tasche war okay, aber den Schlüssel zog sie nicht mehr hervor, denn wieder hörte sie die Stimme aus dem Unsichtbaren.
    »Ich habe alles gesehen!«
    Nancy blieb stehen, als hätte sie einen heftigen Schlag erhalten. Die Stimme hatte sie genau gehört. Daran gab es nichts zu rütteln. Sie duckte sich leicht und schaute sich dann um, denn sie ging davon aus, dass sich dort, wo sie eine Stimme gehört hatte, auch ein Sprecher befinden musste.
    Das war nicht der Fall. Sie sah niemanden, und als sie sich drehte, war auch dort nichts zu sehen. Aber sie hatte sich nicht geirrt, darauf nahm sie jede Wette an, und sie merkte, dass über ihren Rücken ein Eishauch glitt, der sich langsam festsetzte.
    Alles hatte der Unbekannte gesehen. Und damit schloss er sicherlich den Raub mit ein.
    Plötzlich wurde ihr warm. Ein heißer Strahl schoss in ihr hoch und erreichte sogar ihr Gesicht. Sie hatte das Gefühl, eine Glut zu erleben, holte tief Luft und spürte den leichten Druck im Magen. Irgendetwas war passiert, das sie bisher noch nicht erlebt hatte. Es war schlimm, es war nicht zu erklären, und jetzt kam in ihr das Gefühl auf, aus dem Unsichtbaren beobachtet zu werden. Irgendeine Macht oder Kraft hielt sie unter Kontrolle.
    Aber es konnte auch sein, dass sie einfach nur überspannt war und sich etwas einbildete. Der letzte Raubzug hatte schon an ihren Nerven gezerrt.
    Es war niemand zu sehen. Kein heimlicher Beobachter erschien, kein Schatten löste sich aus der eisigen Dunkelheit. Es war alles okay und friedlich.
    Selbst ihre Ohren waren warm geworden. Der Schock steckte noch tief in ihr, und als sie auf das Haus zuging, schaute sie immer wieder zur Seite, um zu sehen, ob sie nicht doch heimlich verfolgt wurde. Aber das war nicht so.
    Sie erreichte die Haustür. Das kam ihr schon wie ein kleiner Erfolg vor. In dieser Nacht war sie
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