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1763 - Einer sieht alles

1763 - Einer sieht alles

Titel: 1763 - Einer sieht alles
Autoren: Jason Dark
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abgeschlossen. Jetzt holte sie endgültig den Schlüssel hervor und dachte daran, dass sie froh war, wenn sie das Haus betreten konnte, denn da fühlte sie in ihren Wänden doch eine gewisse Sicherheit.
    Sie lächelte nicht. Ihr Gesicht blieb starr, als sie die Tür hinter sich schloss und in der Dunkelheit erst mal stehen blieb. Sie wollte sich wieder fangen und zu sich selbst finden.
    Es war nicht völlig dunkel um sie herum, und so war sie in der Lage, Umrisse auszumachen. Schwach sah sie Fenster, dann fiel ihr auch das Geländer der Treppe auf, und sie dachte daran, dass sich ihre WG hier unten befand.
    Es gab drei Türen, die allesamt zu einem Flur führten. Dort befanden sich dann die einzelnen Zimmer, die sich jeder individuell einrichten konnte.
    Sie brauchte nur bis zur ersten Tür, um den Hausflur zu verlassen. Die anderen Mieter, die in den beiden oberen Etagen wohnten, hatten mit der WG nichts zu tun. So blieb es auch, denn der eine kümmerte sich nicht um den anderen.
    Nancy schlüpfte in den Flur, zog die Tür hinter sich zu – und hörte die Stimme.
    »Ich bin noch immer da!«
    Diesmal konnte sie den Schrei nicht unterdrücken. Er wurde nicht gehört oder man wollte ihn nicht hören, jedenfalls erlebte sie keinerlei Reaktion.
    Aber ihr schoss wieder das Blut in den Kopf. Im Flur wollte sie nicht länger bleiben und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Sie bewohnte nur eines. Es gab auch kein Bad. Das war ausgelagert und wurde von allen Mitgliedern der WG benutzt.
    Es roch nach Qualm. Hin und wieder paffte sie eine Zigarette. Das würde auch in der nahen Zukunft so bleiben, denn jetzt besaß sie das nötige Geld.
    Sie machte Licht.
    Schon beim ersten Blick erkannte Nancy, dass sich im Zimmer nichts verändert hatte. Es war nicht durchsucht worden, man hatte nichts durcheinander gebracht. Im Gegensatz zu ihren Mitbewohnern in der WG war sie ein ordentlicher Mensch. Sie hasste Unordnung, und deshalb war es in ihrem Zimmer auch aufgeräumt.
    Sie durchschritt es wie eine fremde Besucherin. Sie schaute überall hin, ohne die Spur eines Einbruchs zu entdecken. Das beruhigte sie allerdings nicht. Den alten Schrank öffnete sie ebenfalls. Kein Monster sprang ihr entgegen, keine Stimme sprach sie an, es blieb alles ruhig, aber sie fühlte sich trotzdem nicht wohl und fürchtete sich davor, die Nacht allein verbringen zu müssen.
    Aber wo hätte sie hin gesollt? In das Bett eines Mitbewohners kriechen oder einer Mitbewohnerin?
    Nein, das war nichts. Wie hätte sie das auch erklären sollen? Man hätte sie ausgelacht. Man hätte abgewinkt und sie nicht für ernst genommen.
    Und eine Erklärung wollte sie auch nicht geben. Nichts von ihrem Raubzug sagen. Als sie daran dachte, holte sie die Spielzeugwaffe hervor und versteckte sie unter ihrer Bettdecke.
    Danach war der Leinenbeutel an der Reihe. Sie holte ihn hervor und drehte ihn um. So glitten die Münzen heraus und wenig später auch die Scheine.
    Viel war es nicht, das hatte sie sich schon gedacht. Sie zählte es trotzdem nach und kam auf einen Betrag von einhundertzehn Pfund.
    Damit kam sie nicht weit, aber daran wollte sie jetzt nicht denken, denn sie hatte andere Sorgen. Die Stimme! Genau das war ihr Problem. War sie echt oder hatte sie sich die Stimme nur eingebildet?
    Jetzt fing sie an, darüber nachzudenken. Sie konnte echt sein, musste es aber nicht. Ihre Nerven lagen blank. Sie konnten ihr einen Streich gespielt haben. Oder war es das schlechte Gewissen, das sich auf eine derartige Art und Weise gemeldet hatte?
    Sie hatte keine Ahnung. Ihre Gedankenwelt war durcheinander. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
    Es wäre jetzt an der Zeit gewesen, ins Bett zu gehen. Ja, das wollte sie auch tun. Aber sie hütete sich davor, sich zu entkleiden. Sie zog nur die Jacke aus. Darunter trug sie einen dunkelgrünen Pullover, den sie gestern von einem Wühltisch gestohlen hatte. Das Kleidungsstück passte leidlich. Es wärmte sie auch ein wenig, deshalb ließ sie den Pullover an. Nur die Schuhe zog sie noch aus. Sie hätte gern Stiefel gehabt, aber an die heranzukommen war unmöglich. Vor den Geschäften auf den Tischen stand immer jeweils nur ein Stiefel, und mit zwei verschiedenen wollte sie nicht herumlaufen.
    Das geraubte Geld steckte sie in ihre Hosentaschen. Ein Bett besaß sie auch, aber das war kein richtiges Bett, sondern ein Lager. Da lag eine Matratze auf dem Boden, dicht an der Wand, über die drei Heizrohre liefen. So bekam sie wenigstens
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