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171 - Todfeinde

171 - Todfeinde

Titel: 171 - Todfeinde
Autoren: Jo Zybell
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mein süßer kleiner Kristofluu.« Das gezähmte Raubtier trottete quer über den Hof auf den offenen Zwinger zu, in dem außer ihm noch sechs weitere Riesenkatzen untergebracht waren.
    Zwei Jungtiere hatte Carelia damals bei sich gehabt, als das Scheusal sie am See überfiel. Er hatte ihr gestattet, das Pärchen mitzunehmen. Vermutlich hatte er sich einen guten Preis für die Tiere versprochen. Inzwischen hatten sie sich vermehrt.
    Carelias Burg war ein großes dreistöckiges Haus aus rotem Stein. Ein auf acht Säulen ruhendes Vordach schützte die breite Vortreppe und das Eingangsportal vor Regen und Schnee. Auch die Rahmen der hohen Fenster bestanden aus kleinen Säulen. Zahllose Erker ragten aus der Fassade und dem Dach. Carelia hatte sich nie die Mühe gemacht, die Räume des uralten Prachtbaus zu zählen.
    An ihm vorbei trottete Kristofluu in den gemauerten Zwinger. Werstov persönlich band ihn in seinem gemauerten Verschlag fest. Sofort beugte das Tier sich über eine Schüssel mit Wasser und begann geräuschvoll zu schmatzen. Auf einen Wink der Fürstin hin zog der Oberste Tierwärter sich aus dem Zwinger zurück. Er schloss das Tor hinter sich.
    Hannerick sprang hastig vom Rücken des Tieres und half Carelia aus dem Sattel. Er hatte es sehr eilig. Ohne sich von Kristofluu zu entfernen, öffnete sie die Arme.
    Ihr weißer Fellmantel rutschte ins Stroh. Der Barbarenhäuptling sah ihren Busen sich unter dem Wildlederhemd abzeichnen, sah ihren weißen Hals und den Schwung ihrer Hüften. Die Kälte in ihrem Lächeln sah er nicht.
    Er warf den roten Mantel des Siegers ab und begann an ihrem Hemd zu nesteln. Wie zum Spaß wich Carelia zurück und kicherte. Schließlich lehnte sie mit dem Rücken gegen die Wand. Der Barbar zog ihr das Wildleder über die Schultern und küsste ihren Hals und ihre Schlüsselbeine. Kaum einen Meter neben ihnen schleckte Kristofluu das Wasser in sich hinein.
    Genau so war es damals auch gewesen. Carelia stellte ihren rechten Fuß hinter Hannericks linken und stieß ihn von sich. Genau so hatte sie es damals auch gemacht. Der Barbarenhäuptling schlug lang hin und blickte ungläubig zu ihr hinauf. Genau so hatte das Scheusal damals auch geglotzt.
    »Schlag ein!«, zischte sie. »Schlag ein, Kristofluu!« Und fauchend fuhr der Schädel des Tieres herum. Es riss seinen Rachen auf und schlug seine spitzen Zähne in Hannericks Brust.
    Carelia griff sich ihren Mantel. Vorbei an den anderen sechs Sebezaan schritt sie zum Zwingertor. Hinter ihr brüllte Hannerick unter Schmerzen und in Todesnot.
    Seine Knochen brachen zwischen Kristofluus Fängen. Die Fürstin streifte sich das Lederhemd über die Schultern und schloss die Knöpfe. Sie drehte sich nicht nach dem Verstummenden um, sondern stieß das Tor auf und stolzierte über den Hof zu ihrer Burg.
    ***
    Mitte Juni 2522
    Der Mann hatte einen quadratischen Schädel, kleine schmale Augen und wulstige Lippen. Er war größer als ein Speer lang, und von Schulter zu Schulter maß er sicher eine Schwertlänge. Ein paar quastige Narben verunstalteten sein Gesicht. Seine Haut war ungewöhnlich braun, seine Nase gebogen und riesig, sein Haar nicht länger als seine Bartstoppeln. Wer ihn kannte, nannte ihn »Oarwa«.
    Ob er wirklich so hieß, wusste niemand, und es spielte weder für Gantalujew noch für die bevorstehende Mission eine Rolle. »Oarwa« war das einzige Wort, das der ungeschlachte Bursche über die Lippen brachte, egal ob man ihn nach seinem Namen, nach seiner Herkunft oder nach seinem Ziel fragte, also wurde er Oarwa genannt. Glücklicherweise kannten ihn noch nicht viele in der Hafensiedlung.
    »Das sei dein, wenn du es tust«, sagte die Frau, die Poschiko aus einem der Fischerdörfer weiter oben im Norden des Meerbusens hatte kommen lassen. Ihr Mann gehörte zum Widerstand. Sie legte ein offensichtlich nicht ganz leichtes Säckchen auf den schäbigen Tisch, band es auf und schüttete seinen Inhalt auf den Tisch.
    Edelsteine funkelten im Schein der Öllampe. Oarwa bekam große Augen und klappte den Unterkiefer nach unten. »Eine Hälfte, bevor du gehst, um es zu tun, die zweite Hälfte, wenn du mit ihr zurückkommst.« Der muskelbepackte Hüne starrte die blauen und roten Steine an.
    Gantalujew und Poschiko beobachteten die Szene durch ein Fenster aus dunklem Glas, das von dem Raum aus, in dem Oarwa und die Frau saßen, wie die Vorderfront einer Vitrine aussah. Beide waren sich darin einig, dass der einsame Jäger nur so viele
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