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171 - Todfeinde

171 - Todfeinde

Titel: 171 - Todfeinde
Autoren: Jo Zybell
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Augenblick, in dem Hannerick seinen Balken drehte, sodass er ihn längs durch die Wogen schieben konnte. Schnell, wenn auch noch nicht mit ganzer Kraft, schwamm er auf Tommasch und den Sterbenden zu, dabei spähte er suchend nach allen Seiten.
    Doch keine Luftblase, keine Wasserbewegung verriet den untergetauchten vierten Mann. Carelia hielt den Atem an.
    Und plötzlich – Tommasch riss dem Sterbenden gerade das Messer aus dem Leib und stieß ihn von sich – schoss an seiner linken Seite der Untergetauchte aus dem blutigen Wasser. Carelia musste an sich halten, um nicht zu schreien, denn über seinem Kopf hielt der Angreifer den Kurzspieß umklammert und holte aus.
    Die Menge schrie auf, Hannerick schwamm auf einmal, so schnell er konnte, und Tommasch reagierte nicht rechtzeitig – es gelang ihm zwar, dem unverhofften Angreifer mit dem Messer die Kehle aufzuschlitzen, doch dessen Kurzspieß erwischte ihn fast im selben Moment an der rechten Schulter.
    Der Angreifer versank in den Fluten, Tommasch klammerte sich an seinem Balken fest, blickte sich nach Hannerick um und sah dessen Spieß durch die Luft über dem Wasser zischen.
    Der Barbarenhäuptling war ein erfahrener Jäger, sein Wurfspieß traf immer und durchbohrte jetzt Tommaschs Hals zwei Finger breit über dem Brustbein. Der Doyzländer riss Mund und Augen auf und warf die Arme in die Luft. Kein Schrei drang aus seiner Kehle, lautlos versank er im rot gefärbten Wasser.
    Das Volk am Rand des Hafenbeckens jubelte und applaudierte. Hannerick galt als Exot, und so einer kam nicht oft vorbei in St. Petersburg. Er besaß also einen gewissen Unterhaltungswert und deswegen auch die Sympathie der Menge. Carelia dagegen biss die Zähne zusammen und versuchte ihrer Enttäuschung Herrin zu werden.
    Für sie war Hannerick ein dreckiges Nichts, seit er ihr im Bett eine Stellung angeboten hatte, die selbst sie als unanständig empfand. Tommasch dagegen war ein zärtlicher Liebhaber und anregender Gesprächspartner gewesen. Sie hatte längst bereut, ihn in einem Eifersuchtsanfall verurteilt zu haben. Sein Sieg war ihre letzte Hoffnung gewesen, ihn doch noch einmal auf ihrem Lager empfangen zu dürfen. Und jetzt hatte dieser hinterlistige, schmutzige, verdorbene Barbar…
    Sie nahm all ihre Selbstbeherrschung zusammen, zwang sich zu einem Lächeln und erhob sich von ihrem Hochsitz. »Hannerick hat gekämpft und gesiegt!«, rief sie laut, und die Menge brach in Hochrufe aus. »Hannerick soll leben und mein Gefährte sein!«, rief Carelia, und die Menge applaudierte.
    Hannerick reckte die rechte Faust in die Luft und grüßte triumphierend nach allen Seiten. Carelias Krieger halfen ihm aus dem Wasser. Mit vor Stolz geschwellter, ungeheuer haariger Brust stand er breitbeinig und mit vorgeschobenem Unterkiefer da, als ein Hauptmann ihm den roten Mantel umhängte, der ihn als Sieger auszeichnete und den er auch tragen würde, wenn Carelia ihm zum ersten Mal wieder die Gunst einer gemeinsamen Nacht gewährte.
    Carelia stieg von ihrem Hochsitz. Mit wiegenden Hüften schritt sie dem Barbaren entgegen. Dessen lüsterne Augen verschlangen sie bereits. Die Fürstin unterdrückte Wut und Schmerz und küsste ihn auf beide bärtige Wangen, wie es die von ihr selbst eingeführte Tradition vorschrieb. »Die Herrin von St. Petersburg verzeiht dir, Hannerick«, sagte sie so laut, dass man es wenigstens in den ersten Reihen der Schaulustigen hören konnte. »Geleite mich zurück in meine Burg.«
    »An nichts anderes denke ich, seit ich heute Morgen erwacht bin«, flüsterte Hannerick erregt. »Von nichts anderem habe ich geträumt, die ganze Nacht…«
    »Es ist gut!« Mit scharfem Unterton schnitt sie ihm das Wort ab. »Wir werden sofort aufbrechen!« Sie winkte Werstov herbei.
    »O ja«, flüsterte Hannerick.
    Der Oberste Tierwärter von St. Petersburg band Kristofluu los und führte ihn zu ihrer beider Herrin. Die hauchte dem Sebezaan ein paar Worte ins Ohr, die keiner der Umstehenden verstand. Danach stieg sie in den Sattel. Hannerick beäugte das Raubtier und zögerte.
    Misstrauen und Angst zugleich spiegelten sich auf seiner Miene.
    »Nun mach schon, mein starker Häuptling«, sagte Carelia mit deutlich spöttischem Unterton. Sie beugte sich nach unten und streckte dem struppigen Hünen ihre Rechte entgegen. Er ergriff sie und zog sich an ihr hoch.
    Doch kurz bevor er sein Bein über den Rücken des Sebezaan schwingen konnte, ließ Carelia los, und Hannerick stürzte rücklings auf die
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