Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Zuversicht entgegen.
    Die schemenhaften Gestalten in der Ferne sah sie nicht.
    ***
    August 2007
    Während sich George T. Mullock dem Kloster Shinghana näherte, erinnerte in Barkha schon nichts mehr an seinen kurzen Aufenthalt: Die eigens zum Schutz des Texaners hierher verlegten chinesischen Sicherheitsbeamten waren abgezogen, die Besuchersperre für sein Hotel war aufgehoben und das Zimmer neu belegt.
    Selbstverständlich war Mullocks Besuch nicht unbemerkt geblieben. Aber die Tibeter hatten gelernt, wegzusehen.
    Man stellte keine Fragen und zeigte keine Neugier. Ganz besonders aber ließ man sich nicht anmerken, dass man etwas wusste. Ein Haus war schnell abgebrannt, und für Verhaftungen brauchte man keine richterliche Verfügung.
    Nur einen chinesischen Pass.
    Am Rande der Stadt lag ein kleines buddhistisches Kloster. Es war bescheiden und schlicht, was zweifellos dazu beigetragen hatte, dass es noch existierte. Auf dem Höhepunkt der brutalen Unterdrückung durch die chinesische Besatzungsmacht ( Kulturrevolution 1966-1976 ) waren unzählige andere Klöster zerstört und die Mönche ermordet worden. Sie hatten sich nicht gewehrt – es widersprach ihrem Glauben, an dem sie mit Sanftmut und Freundlichkeit festhielten bis in den Tod.
    Nur einmal hatte sich jemand aufgelehnt: die Mönche des Klosters Tashilunpo in Shigatse, der zweitgrößten Stadt in Tibet. Sie waren nicht ganz so geduldig und leidensfähig gewesen wie ihre Glaubensgenossen und hatten zurückgeschlagen, als sie nicht mehr mit ansehen konnten, wie bewaffnete Chinesen die Tibeter drangsalierten. Es versteht sich von selbst, dass kein Mönch den Aufstand überlebte.
    Außer Kumar – dem Mann, der George T. Mullock gedroht hatte. Er war damals noch sehr jung gewesen; ein kleiner Waise unbekannter Herkunft, den die Salznomaden gefunden und nach Tashilunpo gebracht hatten, weil sie glaubten, er sei etwas Besonderes. Kumars Augen hatten dasselbe tiefe Blau wie der Manasarovar-See, und diese höchst ungewöhnliche Färbung wurde als Zeichen der Götter gedeutet. Auch heute noch, als aus dem scheuen, mageren Findelkind längst ein Mann geworden war, der wusste, was er wollte.
    »Das darfst du nicht tun, Kumar!«,scholl es ihm erschrocken entgegen, als er eine Waffe hochnahm und überprüfte. Es war ein chinesisches Präzisionsgewehr. Die beiden Mönche, die Kumar gegenüber saßen, fragten gar nicht erst, woher es stammte. Wissen war nicht immer von Vorteil.
    »Doch, das darf ich«, antwortete Kumar ruhig, schob das Gewehr in ein wasserdichtes Futteral, zog den Reißverschluss zu und sah auf. »Ich darf – und ich werde!«
    Ein Lächeln huschte um seine Mundwinkel beim Anblick der Mönche. Ganesh und Raj zogen ein Gesicht, als hätte er angekündigt, ihren besten Freund zu ermorden. Kumar breitete die Arme aus.
    »Brüder!«, sagte er. »Seht euch einmal um!«
    Das Gebäude, in dem sich die drei Männer an einer Feuerstelle wärmten, stand im Schatten des Klosters von Barkha und diente Kumar als Unterschlupf, seit er den Orden verlassen hatte. Es war ein antiker Winterpalast der Panchen Lama. Zahllose Schreine und Statuen hatten in seinen Räumen das Herz tibetischer Tradition beschirmt: eine unersetzliche Sammlung uralter Schriften. Die Chinesen hatten das Gebäude beim Sturm auf Tibet als Soldatenquartier benutzt und später gesprengt. Kumar zeigte auf den Schutt, die Deckenreste und die Pfützen am Boden. Ganesh, der jüngere Mönch, schüttelte den Kopf.
    »Ein zerstörtes Haus rechtfertigt keinen Mord«, sagte er.
    »Außerdem hatte Mullock nichts damit zu tun.«
    Raj, der zweite Mönch, füllte drei Teller mit Vollkornmehl aus gerösteter Gerste und goss heißen Yakbuttertee darüber. Tsampa wurde dieses einfache Gericht genannt. Für Kumar war es die erste warme Mahlzeit seit Tagen, und entsprechend hungrig fiel er darüber her. Während er mit den Fingern kleine Teigkugeln knetete, die er sich in den Mund schob, gab er die Informationen weiter, die ihn über dunkle Wege erreicht hatten. Mullocks Reiseroute, von der hier und da gemunkelt wurde, war ein Fake! Ausländische Reporter hatten viel Geld dafür bezahlt, sich in die falschen Städte locken zu lassen. Mullock war derweil über Nepal eingereist und nach Barkha gebracht worden. »Jetzt ist er auf dem Weg zum Kloster Shinghana.« Kumar leckte seine Finger ab. »Von dort soll ihn ein Militärhubschrauber zum Kailash fliegen. Das wird aber nicht geschehen.«
    Raj füllte den restlichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher