Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün
Autoren: Ward Moore
Vom Netzwerk:
Eins:
    Albert Weener fängt an
     
    1.
     
    Schon immer wußte ich, ich sollte ein Buch schreiben. Etwas, um dem erschöpften Geist zu helfen, die Sorgen des Tages zu vergessen. Aber ich habe stets gesagt, daß man nie sagen kann, was hinter der nächsten Ecke liegt, bevor man um sie herumgegangen ist, und in den letzten einundzwanzig Jahren ist jedermann mit phantastischen Geschehnissen so sehr vertraut geworden, daß der anregende und entspannende Roman, von dem ich zu träumen pflegte, heute so unwirklich wie Atlantis wäre. Statt dessen, meine ich, muß ich von den Dingen schreiben, die mir in jener Zeit widerfahren sind.
    Alles fing mit dem Wort selbst an.
    „Gras, Gramina. Die Familie der Gramineen. Gräser.“
    „Oh“, erwiderte ich zweifelnd. Vor mir sah ich im Geiste bloß eine undeutliche Zone in Parks, von Bänken für die Müßiggänger gesäumt.
    Jedenfalls war ich zu verärgert, um völlig aufmerksam zu sein. In gutem Glauben hatte ich mich – nicht zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Handelsvertreter – aufgerafft, ein Inserat zu beantworten; „50 Dollar und mehr für Spitzenverkäufer“, hatte es versprochen, und natürlich erwartete ich den prüfenden Blick eines dynamischen Verkaufschefs, den Rücken zum Licht, hinter einem auf Hochglanz polierten Schreibtisch. Wenn man es mit so vielen Produkten wie ich zu tun gehabt hat, dann hat ein Inserat wie dieses den richtigen Klang. Aber die Welt ist voll von Verrückten, und einige der schädlichsten sind jene, die vertrauensseligen Reisenden Sand in die Augen streuen und ihnen ein heißes Geschäft vormachen, wo es allenfalls lauwarme Hoffnung gibt. Kein wirklich hochklassiger Vorschlag kam jemals aus einer Einrichtung, die nicht genügend Aggressivität besaß, irgendeine Art Fassade zu errichten; zum Beispiel, indem sie in einem Büro arbeitete, und nicht in einem alten, verkommenen Apartment im falschen Teil Hollywoods.
    „Es ist nur eine zeitlich begrenzte Verzögerung, Weener, die die Wirkungskraft des Metamorphers auf Gras zurückhält.“
    Die gedrechselten Silben, welche die Frau mittleren Alters mit tiefer Stimme vorbrachte, unterstrichen die Absurdität der ganzen Geschichte. Das schäbige Apartment, der ungemütliche Wohnraum – die Einrichtung bestand nur aus Staub und Büchern –, die unglaubliche Küche, die wie eine ins Bild gesetzte Warnung an Hausfrauen aussah – all das waren nur kleine Lacher vor dem in der Tat umwerfenden Finale, als ich entdeckte, daß jener J. S. Francis, der die Anzeige aufgegeben hatte, Josephine Spencer Francis war. Falscher Ort, falsche Atmosphäre, falsches Geschlecht.
    Ich gehöre nicht zu der Sorte Männer, die Frauen ausschließlich in Pflegeberufen sehen wollten. Nein wirklich, ich glaube, in gewisser Weise sind sie ebenso begabt wie ich. Wäre Miss Francis eine jener gepflegten, tüchtigen Damen gewesen, die sich ihre Position in der Geschäftswelt erworben haben, ohne zugleich ihre Weiblichkeit zu opfern, ich bin sicher, meine verlorene Zeit und das Fahrgeld hätten mich nicht so sehr geschmerzt.
    Aber gepflegt und weiblich waren gleichermaßen unzutreffende Adjektive. Mich überragend – sie war mindestens einen Meter achtzig groß, während ich von durchschnittlicher Größe bin –, schritt sie in der Küche, die offenbar Büro und zugleich Labor war, hin und her, wedelte mit den Armen und sprach viel zu überschwenglich; die Antithese zu Mäßigung und Beherrschung. Sie war eine Anhäufung von Zylindern, großen und kleinen. Ihre formlosen Beine waren Säulen mit breiten, flachen Schuhen als Basis, darüber das umgedrehte Tympanon ihrer mächtigen Hüften. Ihr zu kurz geratener, fettfleckiger Rock war eine gewaltige Tonne, und darauf saß das ungeheure Faß ihres Oberkörpers.
    „Ein wenig mehr Arbeit“, polterte sie, „ein paar interessante Probleme gelöst, und der Metamorpher wird die Grundstruktur jeder Pflanze, der er eingeimpft wird, verändern.“
    So dick sie auch war, ihr Gesicht und ihr Kopf waren noch überproportionierter. Ihre Augen kann ich nur als riesig bezeichnen. Ich wage die Behauptung, daß es Leute gibt, die sie schön genannt hätten. In ganz intensiven Augenblicken bohrten sie sich in meine Augen und hielten sie fest, bis ich mich reichlich unbehaglich fühlte.
    „Denken Sie daran, was diese Entdeckung bedeutet“, bestürmte sie mich. „Denken Sie nur mal darüber nach, Weener. Pflanzen werden in der Lage sein, aus allem in ihrer Reichweite Nutzen zu ziehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher