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1648 - Die Spiegelgeborenen

Titel: 1648 - Die Spiegelgeborenen
Autoren: Unbekannt
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Gäa zurückkomme."
    Anfangs fand Saira die kleine Zwotterfrau sympathisch. Sie war überaus zuvorkommend, versorgte sie mit Nahrung und bediente sie zusammen mit ihren zwotterischen Freundinnen fürstlich. Saira kam sich in diesen Tagen und Wochen regelrecht verwöhnt vor.
    Allmählich kam sie jedoch dahinter, daß diese Zwotterfrauen offenbar einem esoterischen Zirkel oder etwas Ähnlichem angehörten. Nicht, daß Saira sie bei spiritistischen Sitzungen und irgendwelchen magischen Ritualen beobachtet hätte. Es war nur ihre ganze mystifizierende Art, sich auszudrücken und die Dinge anzugehen. Sie bezeichneten sich selbst als „Seherinnen" und redeten auf eine Art über Spyke, als würde sein Geist noch unter ihnen weilen und er - oder das, was seine Bestimmung gewesen war - ihre Handlungen bestimmen.
    Es ließ Saira bis in ihre tiefste Seele frösteln, wenn Keemila sich über Spyke ausließ, was einer verklärten Schwärmerei gleichkam. „Er ist ein Auserwählter. Wie Harzel-Kold. Aber ganz gewiß hoch über diesen zu setzen ..."
    Saira hakte sofort ein, als sie den Namen hörte. Sie sah eine Chance, aus berufenerem Munde Informationen über Spyke zu erfahren und diese vielleicht dazu verwenden zu können, ihr Los erträglicher zu gestalten. „Wer ist dieser Harzel-Kold? Wo finde ich ihn?"
    „Harzel-Kold war ein Vincraner wie auch Spyke, aber er weilt längst nicht mehr unter den Lebenden", sagte Keemila geheimnisvoll. „Er war der Vater des Mutanten Boyt Margor, dessen Geist mittels der paraplasmatischen Psychode in den Staubmantel der Provcon-Faust aufging, diese stabilisierte und als Margor-Schwall ein kosmisches Leuchtfeuer setzte. Ich sehe, daß sich ähnliches unter positiven Aspekten in naher Zukunft wiederholen wird ..."
    „Ich möchte nichts mehr von diesem Gewäsch hören!" herrschte sie die Zwotterfrau an.
    Später entschuldigte sie sich bei der verschreckten und völlig verstört wirkenden Keemila und äußerte zugleich eine Bitte. „Ich habe mitbekommen, daß du und deine Freundinnen so etwas wie weise Frauen in eurem Volk seid", begann sie schmeichelnd. „Ihr genießt nicht nur die größte Hochachtung, sondern man schreibt euch auch Wunderdinge zu. Ihr geltet als Seherinnen und Heilerinnen. Glaubst du, daß du auch eine Menschenfrau heilen könntest, Keemila? Könntest du mein Leiden lindern?"
    „Wo tut es denn weh, Saira?" erkundigte sich Keemila einfühlsam und streichelte sie mit ihrer derben Hand. „Da", sagte Saira und legte Keemilas Hand auf ihren prallen Leib. „Bitte, heile mich! Mach es weg!"
    Keemila zuckte wie von einer Schlange gebissen zurück. Sie sah Saira eine Weile mit namenlosem Entsetzen in den großen Augen an. Dann rannte sie winselnd davon. Saira bekam sie kurz vor ihrer schmerzvollen Entbindung nicht mehr zu Gesicht.
    Am nächsten Tag erkundigte sie sich schuldbewußt bei der Seherin Leemira, die an Stelle von Keemila zu ihrer Betreuung erschien, nach deren Verbleib. Sie erfuhr, daß Keemila völlig unerwartet das Geschlecht gewechselt hatte.
    Es war Saira bekannt, daß die Zwotter zweigeschlechtlich waren und in einem bestimmten Zyklus zwischendurch zu Männern wurden, bevor sie wieder weibliches Geschlecht annahmen.
    Als Frauen waren auch die Zwotter der Gegenwart kreativ und intelligent, und man sprach ihnen mitunter sogar übernatürliche Fähigkeiten zu. Die Männlichkeit machte sie dagegen zu eher stumpfsinnigen Geschöpfen, die manchmal nicht einmal des zusammenhängenden Sprechens mächtig waren.
    Nun machte sich Saira Vorwürfe, weil sie Keemila mit ihrem Ansinnen offenbar derart geschockt hatte, daß sie das Geschlecht wechseln mußte und zu Keemil geworden war. „Das ist ein natürlicher Zyklus", tröstete Leemira sie. „Keemila kommt ganz bestimmt wieder rechtzeitig zu deiner Entbindung zurück."
    „Das glaube ich nicht", sagte Saira voll entschlossener Überzeugung. „Denn ich möchte in einer, modernen Klinik auf Gäa von den Zwillingen entbunden werden."
    Leemira schien danach eingeschnappt und blieb den ganzen Tag schweigsam und verschlossen, bis Saira sie beiseite zog und ihre Situation zu erklären versuchte. Leemira hörte ihr aufmerksam zu, ließ aber keine Argumente gelten. „Wir lieben dich, Saira", sagte die Zwotterfrau schließlich. „Wir lieben und verehren dich mehr als jede von uns. Und du wirst es bei uns besser haben als in jeder sterilen Entbindungsanstalt.
    Wir können dir Wärme geben, wie du sie sonst nirgendwo erwarten kannst.
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