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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
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Menschenräubern herumgeschlagen, von denen die Kaàliten die bösartigsten waren.
    »Die Kaàliten«, so berichtete Karan, als sie unter dem blauen Himmel beziehungsweise über den Ruinen Deelis schwebten und nach verdächtigen Gestalten Ausschau hielten, »haben vor einer Woche meine Base Kavita entführt. Sie war auf einer Reise in den Süden. Onkel Jawaharlal ist ihr Vater. Er hat mir, damit ich meine Spesen begleichen kann, ein paar Goldmünzen gegeben, und wenn ich sie finde und zurückbringe, darf ich sie heiraten und werde sein Vermögen erben.«
    »Woher willst du wissen, ob Kavita noch lebt?«, fragte Kapitän Pofski.
    »Die Kaàliten halten sich an gewisse Regeln«, erwiderte Karan Khan, »denn sie sind religiös motiviert. Sie entführen niemanden willkürlich!« Wie er ausführte, hefteten die Kaàliten sich manchmal über Tage und Wochen an die Fersen potenzieller Opfer, bis sie ganz sicher waren, dass es ihre Göttin Kaàli besonders günstig stimmen konnte. »… damit sie nicht versehentlich Jemanden aus den Kreisen der Tabuisierten entführen«, schloss Karan.
    »Bei Aruula haben sie sich aber nicht viel Mühe gegeben«, warf der Russe ein. »Außerdem fällt mir auf, dass du nur von weiblichen Opfern sprichst.«
    »Oh, habe ich es noch nicht erwähnt?« Karan Khan schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Kaàliten entführen nur Frauen, und zwar nur solche, die bestimmte… Attribute erfüllen.«
    »Was für Attribute?«, fragte Pofski neugierig.
    »Körperliche Schönheit. Deshalb haben sie bei deiner Gefährtin wohl auch sofort zugegriffen, ohne lange Nachforschungen anzustellen. Außerdem sieht man ja auf den ersten Blick, dass sie nicht aus diesem Land stammt. Die Entführten bringt man in einen Tempel, der in der Nähe von Agra im Dschungel liegt. Dort werden sie… für die Opferung zum nächsten Vollmond vorbereitet.« Karan ballte die Hände zu Fäusten. Die Sache ging ihm sichtlich nahe.
    Auch Pofski musste schlucken, aber er konnte seinen Begleiter nicht schonen. »Und was geschieht dann mit ihnen?«
    Karan Khan schlug die Hände vors Gesicht. »Niemand weiß es«, sagte er dumpf, »aber es muss alles sehr schrecklich sein! Wenn der Vollmond am Himmel steht, gehen alle Kaàliten in den nächstgelegenen Tempel ihrer blutgierigen Göttin…«
    »Und der Tempel bei Agra liegt uns am nächsten?«
    Karan nickte. »Er ist ein uraltes Heiligtum. Man nennt ihn Tasch'mahaal. Er liegt nicht fern von den Ruinen entfernt in einem undurchdringlichen Dschungel…«
    Kapitän Pofski schaute zum Himmel hinauf. Noch war vom Mond weit und breit nichts zu sehen. Es würde auch noch eine Weile dauern, bis er am Firmament erschien. Doch falls ihn seine Sinne nicht trogen, musste bereits in zwei oder drei Nächten Vollmond sein.
    Wenn sie den Tempel der Kaàli-Jünger ausfindig machen und Aruula und Kavita vor einem üblen Schicksal bewahren wollten, mussten sie sich sehr beeilen…
    ***
    Aruula war im Dunkeln zu sich gekommen. Gefesselt. Eine Gestalt trug sie durch einen Gang, in dem Wasser von den Wänden lief. Ein zweiter Mann leuchtete ihnen mit einer Laterne. Was für eine Geräuschkulisse: Echos werfende Schritte klatschten auf nassem Boden. Sie hörte den keuchenden Atem ihrer Entführer, und gemurmelte Flüche, wenn einer der beiden auf dem glitschigen Boden ausrutschte.
    In der Laterne brannte ein gelbes Licht. Dann und wann hörte Aruula ein ratzenhaftes Fiepen.
    Irgendwann begriff sie, dass sie sich in einem der unterirdischen Gänge befand, die es unter allen Städten aus der alten Zeit gab. Ein Abwasserkanal? Oder ein Tunnel für jene stählernen Wagen, in denen früher Menschen gereist waren?
    Wohin brachten die Kerle sie? Wem war sie in die Hände gefallen? Örtlichen Sklavenhändlern, die sie auf einem Markt versteigern wollten? Einheimische Luden, die glaubten, eine hellhäutige Frau wie sie könne sich zur Zierde ihres Bordells entwickeln?
    Oder gar… Kannibalen? Die Erlebnisse mit den nomadisierenden Tongidds standen ihr noch allzu gut vor Augen. [3]
    Bevor Aruula dazu kam, näher darüber nachzudenken, fiel helles Licht in den Gang hinein. Zehn Schritte später standen sie und ihre Entführer im Hellen. Der Bursche, der sie schleppte, setzte sie zu Boden. Aruula sah, dass der Kanal, aus dem sie gekommen waren, an einem grünen, mit Büschen bewachsenen Hang endete. Das Wasser, das ihm entströmte, lief Blasen werfend einen Hügel hinab und mündete in einen Bach.
    Es war hell
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