Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Tragkraft.
    O nein! Nicht so kurz vor dem Ziel!
    Pofski zog an dem Befeuerungsseil, doch aus dem Ofen fuhr nur noch ein müdes Puff! in den Ballon über ihm.
    Der Korb sank auf den Fluss zu. Die Bibermäuse am Ufer spritzten quietschend auseinander. Schon fegte der Korb über das Nass hinweg! Fünf Meter über Wasser… drei Meter…
    zwei… würde er wenigstens das jenseitige Ufer noch erreichen? Kapitän Pofski zerrte hektisch am Seil. Puff! Puff!
    Puff!
    Aber es reichte – wenn auch nur knapp. Jetzt Gegenschub, damit er nicht in die Palisaden der Siedlung krachte! Pofski richtete die Propeller neu aus und schwang erneut die Kurbel.
    Da plötzlich preschte Steuerbords ein langhalsiger, lehmfarbener Vierbeiner zwischen den Uferbäumen hervor.
    Der Russe schrie auf. Das Tier war größer als ein Wakudarind – und offenbar noch einfältiger, denn einer dämlicheren Visage war er noch nie begegnet. Und es trug einen Reiter!
    Krrrrtz… Schon trennte der vordere Propeller den Kopf vom Rumpf des Tieres und warf ihn hoch in die Luft. Der klobige Leib des Vierbeiners knallte gegen den Korb, der nach Backbord schwenkte und so wild schaukelte, dass Pofski sich an den Rand klammern musste, um nicht über Bord zu gehen.
    Der kopflose Torso brach zusammen und rollte in den Fluss, und der Reiter wurde in hohem Bogen aus dem Sattel geschleudert.
    Kapitän Pofski hatte dafür aber momentan keinen Blick. Der Palisadenzaun schoss auf ihn zu. O je, dachte er. Wenn das man gut geht…
    ***
    Als das Taubheitsgefühl in ihrem Hirn abebbte und von dröhnendem Schmerz ersetzt wurde, begriff Aruula, dass sie noch lebte. Bunte Blitze zuckten vor ihren Augen.
    Sie schüttelte sich. Der Kopfschmerz ebbte ab. Sie erkannte, dass sie mit dem Gesicht im Dreck lag. Hatte sie nicht gerade noch auf dem Rücken eines Tieres gesessen? Eines Ungetüms, das sie in den letzten Wochen beinahe lieb gewonnen hatte?
    Dann erst setzte die Erinnerung wieder ein. An eine rotierende Klinge! An ein abscheuliches Schmatzen! An Pushniks fassungsloses Grunzen!
    Bei Wudan!
    Mit einem Schrei sprang Aruula auf die Beine, riss ihr Schwert aus der Rückenkralle und sicherte nach allen Seiten.
    Sie sah einen Fluss und hörte das Knurren um sich schlagender Reptilien, die das Wasser schmutzigbraun aufwirbelten. Sie rauften sich um große Fleischfetzen.
    Aruula kannte das Gesetz der Wildnis; es hatte sie ihr Leben lang begleitet. Trotzdem empfand sie Trauer, als ihr bewusst wurde, was die Bestien da zerrissen.
    Nachdem keine unmittelbare Gefahr drohte, ließ sie den Bihänder sinken, lauschte dem Pochen ihres Herzens und tastete sich vorsichtig ab. Ihre Kleider waren verdreckt und hier und da auch zerrissen. Sie selbst war unverletzt.
    Der Schock war noch nicht gewichen, doch ihre Erinnerung kehrte nun vollends zurück: Sie war mit einem geflochtenen Korb zusammengestoßen, der an einem roten Ballon gehangen hatte. Aruula war weit in der Welt herum gekommen. Sie kannte nicht nur Ballons, sie wusste auch, was Luftschiffe waren.
    Wo war der Ballon jetzt – und wo sein Insasse? Luftschiffe flogen selten allein! Doch so sehr sie auch Ausschau hielt, es war nichts mehr davon zu sehen. Der Ballon schien wie vom Erdboden verschluckt.
    Aruula wandte sich dem Palisadenzaun zu. Es war Glück im Unglück, dass es Pushnik in unmittelbarer Nähe der Siedlung erwischt hatte, zu der sie unterwegs gewesen war. Nicht auszudenken, wenn ihr das mitten im Urwald…
    Dann traf sie wie ein Blitz, und sie fuhr herum. »Die Satteltaschen! Mein Proviant!«
    Die Reptilien im Fluss hatten ihre Beute längst zerrissen und verstreut. Ein paar Stoff- und Lederfetzen trieben auf dem Wasser. Aruula erkannte gleich, dass es die Reste ihrer Satteltaschen waren. Sie zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Ihr war buchstäblich nur das geblieben, was sie am Körper trug.
    Die Sonne ging unter und erinnerte sie daran, wohin sie unterwegs gewesen war. Der durch den Wald führende Weg endete etwa hundert Metern weiter an einem offenen Tor in dem etwa vier Meter hohen Palisadenzaun. Aruula vernahm helle Stimmen. Frauen? Sie klangen aufgeregt. Aber offenbar hatte man sie noch nicht entdeckt Kein Wunder, wenn der Ballon über die Ansammlung von Hütten hinweg gerauscht oder vielleicht sogar mittendrin gelandet war.
    Aruula setzte sich geduckt in Bewegung. Sie musste vorsichtig sein. Es war nicht auszuschließen, dass der Palisadenzaun eine Räuberbande vor wilden Tieren oder eine Sklavenhändlerbande vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher