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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
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und trocken. Aruula schaute sich um. Sie waren von Urwald umgeben. Irgendwo vor ihnen ragten Ruinen aus dem Grün. Mauern. Ein alter Turm.
    Die Entführer schnatterten nervös miteinander. Und als plötzlich ein groß gewachsener Mann mit dunkler Haut, dunklen Augen und blauschwarzem Haar aus dem Busch trat, warfen sie sich auf den Bauch und legten die Hände auf ihren Schädel.
    Der Neuankömmling war gut gebaut, und er trug, wie die Entführer, einen schwarzen Umhang, auf dessen Brust eine Stickarbeit zu sehen war: Die vierarmige Göttin streckte auf obszöne Weise ihre Zunge heraus.
    So gut der Mann aussah, so böse war die Aura, die ihn umgab. Sein kalter Blick tastete die Barbarin auf kaum erträgliche Weise ab.
    »Wie mutig«, höhnte Aruula in der Sprache der Wandernden Völker. »Drei Männer gegen eine Frau! Ich wette, deine Mutter ist stolz auf dich, wenn sie hört, dass du die Drecksarbeit vom Straßenpöbel machen lässt.«
    Die Entführer fuhren herum. Die Hand des einen hob eine Lederpeitsche, um Aruula zu schlagen.
    Doch der Hochgewachsene, um dessen Lippen ein feines Lächeln spielte, packte das Gelenk des Mannes und gab ihm wohl zu verstehen, dass ihm nicht daran lag, die Beute zu verunzieren. Dann ließ er die Hand seines Untergebenen los und zischte ein Wort.
    Beide Männer sprangen hoch und rissen Aruula auf die Beine.
    »Ich an deiner Stelle würde die Worte bedachtsam wählen«, sagte der schöne Mann mit den dunklen Augen. »Denn Wut macht hässlich. Und wir wollen doch schön sein für… Kaàli.«
    Er beherrschte die Sprache perfekt, betonte sie allerdings so weibisch wie die Männer aus Britana. In seinen Augen blitzte Hohn.
    »Wer bist du?«, fragte Aruula.
    »Man nennt mich Sanjay Narayan. Ich bin ein Fürst, der Sohn eines Fürsten und der Enkel eines Fürsten. Ich bin der vierundfünfzigste einer glorreichen Ahnenreihe, die bis weit vor Kristofluu zurückgeht.«
    »Ich bin Aruula vom Volk der Dreizehn Inseln«, sagte Aruula. Sie wusste nicht, was sie von diesem Menschen halten sollte. Aber es war sicher nicht schlecht, so viel wie möglich über ihn und seine Vasallen in Erfahrung zu bringen. »Ich bin keine reiche Frau. Ich habe auch keine Familie.«
    »Warum erzählst du mir das?« Sanjay Narayan musterte sie erstaunt.
    »Ich sage es, damit du weißt, dass du kein Lösegeld für mich bekommst.« Aruula blitzte ihn an. »Niemand wird auch nur einen Bakk für mich locker machen!«
    »Bakk?« Die Entführer schauten Narayan fragend an, und er sagte etwas zu ihnen, das sie zum Lachen brachte.
    »Wir wollen kein Lösegeld.« In Narayans Hand war nun ein Messer zu sehen. Bevor Aruula zurückweichen konnte, schlitzte die Klinge den Stoff ihres Oberteils an der Schulter auf.
    Der geheimnisvolle Mann beugte sich vor und küsste ihr Fleisch. »Eine Frau, die so schön ist wie du, kann man doch nicht mit Geld aufwiegen…«
    Er gab seinen Helfern einen Wink. Sie packten Aruula.
    Dann brach eine dritte Gestalt aus dem Gebüsch. Sie schwang ein stark duftendes Handtuch.
    Narayan und die Vermummten machten Platz.
    Aruula riss die Augen auf. Das Handtuch klatschte ihr ins Gesicht. Sekunden später schwanden ihr die Sinne.
    ***
    Die Zeit drängte.
    Inzwischen wusste Kapitän Pofski, wie weit die Ruinen von Agra entfernt waren. Zu Fuß oder mit einer Kutsche würde man die Strecke in zwei Tagen nicht schaffen. Ein flussabwärts fahrendes Boot konnte den Tempel der Kaàliten dagegen in drei Tagen erreichen – wenn es nicht von Piraten oder den Zöllnern lokaler Fürsten aufgehalten wurde.
    Für ein Fluggerät war die Strecke kein Problem – sofern man genügend Brennholz an Bord hatte. Mindestens ebenso wichtig war freilich eine gute Bewaffnung: Kaàliten waren keine Angsthasen, die vor einem Ballon wegliefen, sondern ein blutrünstiger Geheimbund. Sie zu unterschätzen würde in einem Fiasko enden!
    Deswegen hatten Pofski und Karan ihre Waffen gesichtet und den Schluss gezogen, dass sie aufrüsten mussten. Mit Aruulas Bihänder, den der Kapitän an Bord genommen hatte, konnte keiner von beiden umgehen.
    Also hatten sie am südlichen Stadtrand Deelis kehrt gemacht und waren in einem Vorort gelandet. Hier wohnte ein Waffenhändler, bei dem sich nicht nur die Schergen des Sultans eindeckten, sondern auch deren Widersacher.
    Nachdem sie den Ballon mit vereinten Kräften und einem Anker am Wipfel eines Baumes befestigt hatte, stiegen Karan und Kapitän Pofski mit einer Strickleiter hinab. Unten, zwischen
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