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1622 - Der Verlorene

Titel: 1622 - Der Verlorene
Autoren: Unbekannt
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sich damit abgefunden hatten, hier ihr Dasein zu beenden.
    Er zuckte die Achseln und schlenderte weiter. Vielleicht hätte er einfach in die murkanische Snackbar gehen sollen, um sich als Küchenhilfe anzubieten. Eine Mahlzeit wäre bestimmt dabei herausgesprungen. Aber der Anblick der beiden Murkaner war schrecklicher gewesen als sein Hunger, obwohl sie als gutmütig und harmlos galten.
    Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er die Nacht verbringen sollte. Aüs seinem letzten Quartier, einem Nebenstollen der subplanetaren Verkehrswege, war er verjagt worden. Er konnte froh sein, daß sie ihn nicht verprügelt hatten.
    Er war so in Gedanken versunken, daß er nicht auf die Entgegenkommenden achtete und einen kräftigen Stoß erhielt, als er mit einem großen, gutgekleideten Terraner zusammenprallte.
    Zum Glück hielt die Fensterscheibe des Geschäftes die Kollision aus und federte ihn zurück, genau in die geistesgegenwärtig ausgebreiteten Arme des Gutgekleideten, der die Nase rümpfte und ihn wegstieß. „Kannst du nicht aufpassen?" schrie er den verdutzten Tramp an und stampfte wütend mit einem Fuß auf. „Wohl keine Augen im Kopf, was?"
    „War nicht gern geschehen", stammelte der Zerlumpte. Der Mann war Terraner, das sah man auf den ersten Blick. Und wohlhabend war er allem Anschein nach auch. Hm, vielleicht eine gute Gelegenheit... „Es ist der Hunger. Ich habe solchen Hunger, daß mir alles vor den Augen verschwimmt."
    „Hunger?" Der Fremde dehnte das Wort, als müsse er über seine Bedeutung nachdenken. „Warum ißt du dann nichts?"
    „Ich weiß nicht, wie ich bezahlen soll. Kein Geld."
    „Ach, nun ja, so siehst du auch aus. Wer bist du?"
    „Ein Nichts, ein Niemand, mein Herr. Darf ich um Entschuldigung bitten?"
    Der Ärger des vornehm wirkenden Terraners schien sich nach diesen Worten zu legen, er lächelte sogar kurz und flüchtig. „Kein Geld, keine ID-Karte, und wahrscheinlich hast du auch deine Erinnerung verloren.
    Richtig?"
    „Richtig!" bestätigte der Zerlumpte.
    Die offensichtliche Ehrlichkeit der Antwort verblüffte den Fremden nur für einen kurzen Moment, dann nickte er. „Nun ja, das kann passieren. Komm mit, ich lade dich zum Essen ein, dann können wir uns weiter unterhalten."
    Nun war die Reihe an dem Tramp, verblüfft zu sein. Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Hauswand. „Danke, das wäre wunderbar - aber warum tust du das?"
    „Du wirst schon sehen", wurde er vertröstet. „Geh einfach hinter mir her. Ich kenne ein gutes Restaurant, da können wir ungestört reden."
    Der Zerlumpte wirkte verunsichert, und er sagte es auch: „Aber mein Anzug. Ich kann doch nicht mit ihm ..."
    „Keine Sorge, mein Lieber. Man kennt mich in dem Laden und weiß, daß ich öfter Leuten wie dir helfe. Nun komm schon endlich."
    Er nickte ihm zu und ging voran.
    Die Entgegenkommenden wichen ihm bereitwillig aus, vielleicht eine Folge seiner vornehmen Kleidung.
    Der namenlöse Tramp setzte sich zögernd in Bewegung und folgte ihm in geringem Abstand.
    Gewissermaßen hielt er sich im Kielwasser seines Gönners und vermied so unliebsame Zusammenstöße mit den Passanten. .Sie waren etwa hundert Meter gegangen, als der Fremde die mittlere Ringstraße verließ und links in eine der Nebenstraßen einbog, die zum äußeren Ring führten. Hier ließ das Gedränge nach, und sie konnten nebeneinander gehen. „Wir sind gleich da."
    „Mein Hunger wird immer größer."
    „Um so besser wird es dir dann schmecken."
    Das Restaurant war eine bessere Bruchbude, aber es roch nach gutem Essen. Der Raum war halb dunkel, die wenigen Gäste kaum zu erkennen. Der Fremde steuerte ohne zu zögern auf einen Tisch in einer Nische zu und setzte sich so, daß er die Tür im Auge behielt. „Setz dich schon. Hier wirft dich niemand raus."
    Er winkte einem schmuddeligen Mann zu, der ebenfalls gut ein Terraner hätte sein können, hätte er nicht vier Arme besessen, die beim Heranschleppen von Speisen und Getränken sicherlich von Vorteil waren.
    Wenig später bewies er das auch, denn er brauchte nur einmal zu kommen, um den blanken Plastiktisch in eine - wie es dem Tramp erschien -fürstliche Tafel zu verwandeln. „Iß!" sagte der Gönner und lehnte sich bequem zurück. „Ich habe schon gegessen. Laß dich nicht stören, wir haben Zeit."
    Der verwahrloste Unbekannte ließ sich das nicht zweimal sagen. In der Tat hatte er seit Tagen nichts Vernünftiges mehr zwischen den Zähnen
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