Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes
Autoren: Mary Gentle
Vom Netzwerk:
könnt Ihr meinen Kopf nehmen. Ich entschuldige mich. Verzeiht mir.«
    Plötzlich lief mir ein Schauder über den Rücken, als mich die Erkenntnis überkam: Ich stand hier, wie sie dagestanden hatte, und er kniete, wie ich gekniet hatte – oder wie ich mir gewünscht hatte, vor ihr zu knien, mich ihr zu Füßen zu werfen.
    Aber das ist nicht das Gleiche wie bei Mademoiselle Dariole. Mein Schwanz reagiert nicht auf den vor mir knienden Nihonesen. Dieser absurde, köstliche Schmerz im Unterleib angesichts solcher Unterwerfung ist einfach nicht da. Nun ja, wenigstens erkenne ich noch den Unterschied … nun, da es nicht mehr von Bedeutung ist …
    Ich warf Darioles Rapier aufs Bett, durchquerte den Raum und stieß die Fensterläden auf. Warme Luft strömte herein, gefolgt vom Bellen der Hunde; sechzig oder mehr von ihnen kläfften ob der knallenden Fensterläden plötzlich los. Hatte Dariole sich zur Warnung auf die Kampfhunde verlassen?
    »Wo habt Ihr überall nach ihr gesucht?«
    Der kleine, breite Mann stand wieder auf. Er beäugte mich, als gäbe es da etwas, was er nicht ganz verstehen konnte. »Wo auch immer ich zu Fuß hingehen konnte. London ist nicht so groß wie Osaka oder Edo, aber es ist zu groß. Ich habe Seso-sama gebeten, mir bei der Suche nach meinem Pagen zu helfen. Er glaubt, der Feind habe nichts damit zu tun. Er glaubt, ein junger Mann, der zum Saufen und Ficken um die Häuser zieht, würde schon bald wieder zurückkommen.«
    »Eine Woche. Eine Woche ist nicht ›bald‹. Sie ist verletzt!« Ich durchquerte den Raum und warf Monsieur Saburo den Brief hin, den der Priester mir gegeben hatte. »Könnt Ihr Euch vorstellen, dass sie sie haben mitnehmen können, ohne sie vorher kampfunfähig gemacht zu haben?«
    Der Samurai blickte zu Darioles Waffen, die bei den Männerkleidern auf ihrem Bett lagen. Ich folgte seinem Blick und sah, dass auch ihr Kragen noch dort lag, die Innenseite verdreckt und das Leinen mangels Stärke weich.
    »Sie müssen … Sie müssen sie fast nackt geholt haben!«
    »Kimono.« Saburo zupfte an seinem Ärmel. »Schwer. Tierhaut … Fell.«
    »Ah. Ja. Ich weiß.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich Mademoiselle Dariole am Frühstückstisch hocken, gehüllt in einen pelzbesetzten Mantel, der schon fünfzig Jahre aus der Mode war, und das Gesicht blass vom Spielen und Saufen in der Nacht zuvor. An den wenigen Morgen, da ich sie vor meinem Aufbruch in die Provinz so gesehen hatte, war ich immer wieder der Versuchung erlegen, ob ihres Zustandes eine spöttische Bemerkung zu machen. Obwohl sie dann meist nicht in der Lage gewesen war, gleichermaßen gewitzt zu antworten, so war sie doch nie um eine Beleidigung verlegen gewesen. Hätte ich eingehender darüber nachgedacht, wäre ich sicherlich angesichts der Tatsache misstrauisch geworden, wie leicht mich diese Geplänkel amüsiert hatten … und warum.
    Jeder Mann wird wütend, wenn der Feind einen seiner Verbündeten misshandelt – besonders wenn man für diesen Verbündeten einst eine perverse Zuneigung empfunden hat.
    Nein, ich will nicht lügen – für den man unglücklicherweise noch immer so empfindet.
    Saburo durchbrach das Schweigen, das sich über den Raum gesenkt hatte. Sein Entsetzen war ihm deutlich anzuhören. »Könnte sein, dass der Feind sie schon getötet hat … dann könnte sie auch nicht mehr entkommen. Ihr dürft jedoch nicht so handeln, als wäre sie schon tot. Ihr müsst weiter für Furada arbeiten.«
    Ich nickte bedächtig. »Das stimmt.«
    Der Samurai verzog das Gesicht, zog Augenbrauen und Mundwinkel hinunter.
    Ich fuhr fort: »Das wird mich jedoch nicht davon abhalten, sie zu finden.«
    Die Falten auf Saburos Stirn verschwanden, und er nickte knapp. »Wir werden sie suchen.«
    »Ja. Wir werden sie suchen. Schnell.«
    Ich griff nach Darioles Rapier, steckte es in die Scheide und sprach, ohne den Samurai anzusehen.
    »Königin Maria di Medici hat das schon einmal mit mir gemacht, mit Messire de Sully. Wie dumm muss ein Mann eigentlich sein, um nicht zu wissen, dass man das auch ein zweites Mal mit ihm machen kann?«
    Am Sonntag hielt der junge Heinrich Stuart triumphalen Einzug in London. Er kam über das Wasser nach Westminster, und am folgenden Dienstag wurde er in der Abtei zum Prinzen von Wales ausgerufen. Am Sonntag fand dann ein Maskenspiel auf der Themse statt: Tethys Festival – wovon ich nur eines wiedererkannte, und das war offenbar von Madame Lanier gestohlen. So hieß es unter anderem in dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher