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161 - Der Kristallschlüssel

161 - Der Kristallschlüssel

Titel: 161 - Der Kristallschlüssel
Autoren: Susan Schwartz
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einmal zu einem Bruderkrieg geführt hatte, war ein deutlicher Indikator dafür.
    Neid, Missgunst, Machtgier, Gewalttätigkeit, Lügen und Intrigen – das Erbe von der Erde existierte immer noch in den Genen der Marsianer. Sie waren nach wie vor »ganz gewöhnliche« Menschen, lediglich körperlich an eine veränderte Umwelt angepasst. Geistig hatten sie sich dagegen kein bisschen weiter entwickelt, auch wenn sie hartnäckig daran glauben wollten.
    Vorbei war es nun mit dem schönen Schein; große Umwälzungen standen bevor.
    Allerdings gefiel Matt der Gedanke nicht besonders, dass ausgerechnet er der Auslöser oder Katalysator war.
    Obwohl er wusste, dass ihn keine Schuld traf, fühlte er sich in einigen Punkten verantwortlich; noch dazu, je besser er die Marsianer kennen lernte. Inzwischen gab es einige, die er wertschätzte, fast als Freunde betrachtete.
    Allerdings hatte sich auch das Verhalten ihm gegenüber verändert, zumindest was den Rat und die Wissenschaftler, mit denen er zusammenarbeitete, betraf. Vom »Allgemeinvolk« hielt er sich nach wie vor fern. Diese Menschen empfanden Angst vor ihm, weil sie Angst vor dem Fremden und der Veränderung hatten. In diesen Zeiten wusste niemand mehr, wie die Zukunft sich gestalten würde, und Matt wollte nicht noch mehr Anlass zu Kontroversen geben.
    »Sie hatten keine Wahl«, holte Chandra ihn aus seinen Gedanken zurück.
    »Ich weiß«, sagte Matt. »Aber das ändert nichts daran, dass ich meinen Freund… getötet habe, und das gleich zweimal innerhalb weniger Wochen.«
    »Das war nur das Abschalten einer Erinnerung«, erwiderte die Linguistin und Historikerin, vielleicht in der Absicht zu trösten. »Der wirkliche Aiko ist auf der Erde zurückgeblieben.«
    Matt sah zu ihr auf, und sie schreckte vor seinem Blick zurück. »Diese Erinnerungen machen seine Persönlichkeit aus!«, sagte er heftiger als beabsichtigt.
    »Ich habe vielleicht nicht Fleisch und Blut zerstört, aber etwas, das wusste, dass wir beide Freunde waren und vieles gemeinsam erlebt haben. Wer keine Freunde hat, kann das nicht verstehen!«
    »Ich verstehe. Danke. Wenn ich jemals einen Psychiater brauche, sage ich es Ihnen zuerst«, bemerkte sie trocken. Sie stand auf. »Nun, ich sehe schon, Sie haben sich bestens erholt und werden bald wieder Ihre alte Form haben. Der Tee zeigt also Wirkung. Nicht alles vom Mars scheint wohl schlecht zu sein. Dann überlasse ich Sie jetzt Ihrem Ego und Ihrer schlechten Laune, da haben Sie Gesellschaft genug.«
    Sie stellte den Stuhl an seinen Platz zurück und ging zur Tür, wandte sich jedoch noch einmal kurz zu ihm um. »Wenn Sie fertig sind, brechen wir auf. Denken Sie daran, dass Sie heute Ihren Termin für die turnusmäßige Untersuchung haben.« Dann rauschte sie hinaus. Matt schlug wütend mit der flachen Hand auf die Bettdecke. Warum konnte er nicht den Mund halten, wenn es angebracht war? Warum stieß er sie immer wieder vor den Kopf?
    Gewiss, zu Beginn war Chandra sehr schwierig gewesen, arrogant und abweisend. Sie hatte den Auftrag nur angenommen, weil sie zielstrebig ihre Karriere verfolgte; so etwas wie ein Privatleben schien sie nicht zu besitzen und von Freunden wusste Matt auch nichts.
    Zumindest hatte sie nie jemanden erwähnt, und sie wurde auf dem PAC nie angerufen.
    Aber die Zeit der Gefangenschaft bei den Waldleuten hatte sie nachdenklich gemacht und ihre Einstellung verändert. Seit der Vernichtung des Aiko­Cyborgs hatte sich das gespannte Verhältnis zwischen ihnen deutlich verbessert, nicht zuletzt deshalb, weil Chandra Matt im Kampf das Leben gerettet hatte. Sie hatte damals nebenbei bemerkt, dass sie ihn vielleicht sogar ein wenig mochte, trotz aller Differenzen und der Kluft, die zwischen ihren beiden Welten lag. Matt hatte dies nicht mehr weiter erwähnt, aber es musste etwas dran sein, denn Chandra gab sich seither immerhin Mühe, nicht mehr so schroff und voreingenommen zu sein. Sie fing allmählich sogar an, sich auf ihre Rolle als Historikerin zu besinnen und ihm Fragen nach der Vergangenheit vor mehr als fünfhundert Jahren zu stellen.
    Inzwischen neigte der Rat dazu, Matts unglaubliche Geschichte mit dem Zeitsprung zu glauben. Warum auch nicht; es spielte im Grunde keine erhebliche Rolle, aus welchem Jahrhundert er stammte – er kam von der Erde, das war ausschlaggebend.
    Ja, Matt konnte sagen, dass inzwischen eine vorsichtige Annäherung auf beiden Seiten stattfand. Die Marsianer zeigten sich allmählich offener und
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