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161 - Der Kristallschlüssel

161 - Der Kristallschlüssel

Titel: 161 - Der Kristallschlüssel
Autoren: Susan Schwartz
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zwei besondere Grotten angelegt worden, gleich nebeneinander: eine für Jarro, dessen Asche in der Grottenwand beigesetzt war, und eine symbolische für Lorres, dessen Leichnam irgendwo zwischen den Sternen dahin trieb. Beide hatten zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Mars­Gesellschaft gehört, denn sie hatten die Raumfahrt ermöglicht.
    Natürlich würden sie auch einen Ehrenplatz im Bradbury­Museum erhalten, gleich neben den Gründern.
    Maya musste insgeheim lächeln, als sie an die pompöse Trauerzeremonie zu Ehren von Jarro dachte, zu der sie auch eingeladen worden war, aus politischen, aber auch familiären Gründen, da sie mit Lorres zusammengelebt hatte und Nomi seine Tochter war.
    Die Wochen davor waren allerdings ein sehr wechselvolles Auf und Ab gewesen. Zuerst hatte Maya Maddrax zur Flucht verholfen, weil Präsidentin Cansu Alison Tsuyoshi ihn zum Tode verurteilte. Daraufhin war ein Haftbefehl gegen sie ausgestellt worden, und sie hatte selbst untertauchen müssen. Doch dann zog ein wild gewordener Cyborg seine blutige Bahn durch den Marsstaub, der mithilfe des Erdmannes gerade noch rechtzeitig vernichtet werden konnte, bevor er Elysium erreichte. Nun war Maya rehabilitiert, und sie stand sogar in der engeren Wahl für das Amt der Interimspräsidentin, bis Neuwahlen angesetzt waren…
    Zuerst hatte sie alles ablehnen und im Wald bleiben wollen. Aber Windtänzer und vor allem ihre Mutter hatten auf sie eingeredet, dass sie sich jetzt nicht einfach aus allem heraushalten konnte, nachdem sie einen nicht unerheblichen Anteil an den Dingen trug, die ins Rollen gekommen waren.
    Also hatte sie nachgegeben, war in den Tsuyoshi­
    Tower zurückgekehrt und hatte sich bereit erklärt, den momentan im wahrsten Sinne des Wortes kopflosen Rat zu unterstützen.
    Wenn Lorres das erlebt hätte, dachte sie wehmütig, hätte er sich vor Lachen ausgeschüttet, in welchen Schlamassel ich da wieder hineingeraten bin. Und er hätte sich ohne Ende darüber lustig gemacht, welcher Aufwand bei der Bestattungszeremonie für ihn und seinen Vater getrieben und wie viele falsche Tränen vergossen worden waren. Vor allem in den letzten Jahren war Lorres zu einem scharfen Kritiker der politischen Linie des Hauses geworden und hatte sich mit seinem Vater überworfen.
    Die Geschicke der Gonzales­Familie gingen nun in andere Hände über. Viel würde sich wahrscheinlich nicht ändern; nach wie vor wollte das Haus mit allen Mitteln den Fortschritt vorantreiben und die Pfründe der Erde ausbeuten. Oder vielleicht sogar die Erde, die sich nun im Zustand des Chaos befand, als Kolonie neu aufbauen. Ein kühner, aber keineswegs abwegiger Gedanke, fand Maya; sie hielt inzwischen alles für möglich. Die Gier nach Macht verbreitete sich zusehends wie ein ansteckendes Virus, und jeder wollte der Erste sein.
    Wie beim… wie hatte Maddrax es ausgedrückt und Chandra nach einigen Recherchen bestätigt? Beim Goldrausch in Alaska? Ja, irgend so etwas. In der zweiten Hälfte des irdischen neunzehnten Jahrhundert, wenn sie sich recht erinnerte. Die Aussicht auf schnellen Reichtum hatte viele gute Männer den Verstand verlieren lassen.
    Hier auf dem Mars schien es genauso zu kommen.
    Lag es daran, dass in einigen Häusern, allen voran den Gonzales, inzwischen mehr die Männer das Sagen hatten?
    Lorres hatte Maya immer vorgeworfen, dass die matriarchalisch angehauchte Gesellschaft die Männer diskriminieren würde. War dies nun eine Art »Rache«, oder ein Akt der Befreiung?
    Auch der Rat, vor allem der männliche Teil, war längst von diesem Virus angesteckt und gespalten…
    Mayas Gedanken kehrten zurück, als der Streifen am Horizont heller wurde und Abstufungen von sanftem Rosa zu dunklem Rot zeigte, mit nur wenigen Blautönen dazwischen. Nomi war in ihren Armen längst wieder eingeschlafen. Sie spürte das kleine Herz an ihrer Brust schlagen, fühlte den warmen, weichen, zierlichen Körper ihres Wirbelwinds, der ausnahmsweise einmal still verharrte. Vorsichtig küsste sie die Stirn der Tochter und entspannte sich.
    Alles wird gut, dachte sie, ich gebe die Hoffnung einfach nicht auf.
    ***
    »Vater, wach auf!«
    Windtänzer schlug die Augen auf und erblickte das zierliche, von roten Haaren umrahmte Gesicht seiner Tochter Morgenblüte über sich. »Was ist?«, fragte er gepresst. Ihm war, als würde seine Brust von einer tonnenschweren Last beschwert; er konnte kaum atmen.
    »Du hast schlecht geträumt«, antwortete das achtjährige Mädchen.
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