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1605 - Besucher aus dem Irgendwo

Titel: 1605 - Besucher aus dem Irgendwo
Autoren: Unbekannt
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es satt, in der Luft herumzutreiben wie Seifenblasen, immer wieder überraschende Purzelbäume zu schlagen und sich gelegentlich mit anderen Besatzungsmitgliedern zu seltsamen Knäueln aus Leibern und Gerätschaften zusammenzuballen. „Abstimmung!" schlug Nora vor. „Es genügt, wenn du es befiehlst", sagte Uryn Aetzold, der Hyperphysiker.
    Nora schüttelte den Kopf. „Dies ist eine Notlage", sagte sie. „Und so lange es möglich ist, möchte ich bei Entscheidungen von solcher Wichtigkeit möglichst große Übereinstimmung erzielen. In unserer Lage können wir es uns auf keinen Fall erlauben, Streitereien nach dem Motto: Habe ich es nicht gesagt? anzuzetteln."
    Tyler Danning nickte. Das war ein gutes Argument, fand er. In einer Notlage wie dieser war in der Tat Solidarität fast so wichtig wie der Sauerstoff.
    Langsam schoben sich Hände nach vorn. Nora ließ den Blick wandern und zählte mit, desgleichen Danning. „Zehn, elf, meine Stimme macht zwölf..."
    Tyler Danning streckte ebenfalls eine Hand aus, nicht weil er dem Vorschlag wirklich zustimmte, sondern um klarzustellen, daß er die offenkundige Entscheidung der gesamten Gruppe uneingeschränkt akzeptierte. „Sehr gut", sagte Nora Bierer; sie schenkte Tyler ein knappes Lächeln. „Dann wollen wir beginnen. In drei Minuten werden wir zünden. Kümmert euch bitte um die Verletzten, damit ihnen nichts geschieht, wenn die neue Schwerkraft einsetzt."
    Tyler Danning, noch einer der geschicktesten im Umgang mit der Schwerelosigkeit, ließ sich hinübergleiten zu Ariel Hirsut und Kiraah Hulvyn, den beiden verletzten Besatzungsmitgliedern der Station NEPTUN ORBITER IX.
    An jenem fatalen Tag, zu exakt jener Sekunde, in der der „Hyperraum ausgefallen war", wie sich jemand ausgedrückt hatte, war ein Transmittertransport vom Mond zur Station NEPTUN ORBITER IX geplant gewesen. Die Folgen waren fürchterlich gewesen - hyperphysikalische Entladungen hatten sich in der Zelle der NEPTUN ORBITER IX ausgetobt, hatten Leitungen zusammengeschmolzen, Wände einstürzen lassen und dazu andere Schäden angerichtet, die man immer noch nicht hatte exakt erfassen können. Da alle auf 5-D-Basis arbeitenden Gerätschaften ausgefallen waren, ließ sich nun nicht mehr bestimmen, welcher Ausfall auf die Hyperraum-Parese zurückzuführen war und was auf Beschädigungen durch die Transmitterdetonation.
    Die beiden Verletzten jedenfalls gingen auf das Konto dieser Explosion - und die wiederum war höchstwahrscheinlich eine Folge der Hyperraum-Parese. Jedenfalls hatten das die sogenannten Fachleute behauptet; bedauerlicherweise fehlten für diese These sämtliche Beweise, denn ohne Syntron und ihre hochspezialisierten, auf 5-D-Basis arbeitenden Geräte war es mit dem Fachwissen der Spezialisten nicht weit her. „Was glaubst du, haben wir eine Chance, heil hier herauszukommen?"
    Tyler Danning zögerte mit der Antwort. „Eine Chance gibt es immer, alles eine Frage der Wahrscheinlichkeit."
    Kiraah lächelte schwach. „Und was ist deine persönliche Schätzung, Tyler?"
    Er holte tief Luft. „Wir werden es schaffen, Mädchen", sagte er leise. „Wir haben nämlich dazu keine praktische Alternative. Was macht die Verletzung? Schmerzen?"
    Kiraah schüttelte den Kopf.
    Eine blauweiße Stichflamme aus dem Energiefeld des Transmitters hatte ihr den Rücken versengt. Mit den primitiven Mitteln, die der Besatzung der NEPTUN ORBITER IX jetzt zur Verfügung standen, war diese Verletzung nicht zu heilen. Was man tun konnte, war, die offenen Wunden mit Heilplasma abzudecken und die Schmerzen wirksam zu bekämpfen; mehr war nicht möglich, denn auch die Anlagen der Medo-Sektion waren ausgefallen. „Noch eine Minute!" gab Nora bekannt.
    Ariel Hirsut hatte es noch erheblich schlimmer erwischt als Kiraah. Der Mann war ohne Bewußtsein, dämmerte in einem schmerzfreien Dauerschlaf vor sich hin, und wenn nicht bald etwas geschah, würde er sterben.
    Tyler Danning hob den Blick und sah sich noch einmal in der Zentrale der NEPTUN ORBITER IX um. Was er sah, war im Grunde nur noch Schrott der Luxusklasse, funktionstüchtig nur durch unermüdliches Improvisieren. Einmal mehr zeigte sich in diesem Fall, wie verheerend es für neuzeitliche Menschen werden konnte, sich auf nur eine technologische Grundlage zu verlassen.
    Keine ausreichende Energie, kein Syntron zur Steuerung der verbliebenen Anlagen, nicht nur im buchstäblichen Sinn hing die gesamte Besatzung der NEPTUN ORBITER IX in der Luft. „Es geht los!"
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