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157 - Das Erbe der Alten

157 - Das Erbe der Alten

Titel: 157 - Das Erbe der Alten
Autoren: Jo Zybell
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Lifttüren schlossen sich, der Aufzug fuhr nach oben. Die Kabine hatte die Form eines Eis – nichts Eckiges, nichts wirklich Gerades.
    »Folgendes, meine Herren«, sagte Chandra, und es klang keineswegs entspannt. »Man hat mich auf meinen Gefangenenstatus hingewiesen. Ich könnte mich also wie eine Gefangene verhalten und jede Kooperation verweigern. Dann aber kämen wir nicht weit, das können Sie mir glauben.« Sie drückte auf eine Taste in der Armaturenleiste neben der Lifttür.
    Die Kabine stoppte.
    »Was soll das heißen?« Schwarzstein belauerte sie voller Misstrauen. »Warum hältst du den Aufzug an?«
    »Damit Sie mir zuhören, wenn ich Sie über die Verhältnisse auf dem Areal rund um die Grotte des Strahls informiere.«
    »Du willst uns helfen?«
    »Nicht aus reiner Güte oder weil ich mit Ihren Methoden einverstanden wäre!«, schränkte Chandra ein. »Sondern weil mich das Geheimnis des Strahls interessiert und Maddrax der Einzige zu sein scheint, der es lösen kann. Der Sache wäre nicht gedient, wenn man ihn gleich wieder verhaftet und wegsperrt… oder Schlimmeres.«
    Schwarzstein sah sie verblüfft an. »Also gut…?«
    »Etwa siebzig Meter über uns liegt das Zentrum Utopias«, begann die marsianische Historikerin und Linguistin. »Wir steigen aus, zwei oder drei Minuten vergehen, und irgendjemand glaubt zu Recht, unsere Gesichter im Suchaufruf des Magistrats auf ENT gesehen zu haben.«
    »Ich verstehe nicht – liegt die Bahnstation denn nicht in unmittelbarer Nähe des Strahls?«
    »Das war einmal, Maddrax. Bei der ersten Expedition zum Strahl im Jahr 2092 irdischer Zeitrechnung kam es zu einem Unfall, der die gesamte Grotte und die ursprüngliche Endstation verschüttet hat. [1] Unsere Mütter und Väter haben achtzig Erdjahre gebraucht, um eine neue Station außerhalb der Einsturzzone zu errichten. Dort entstand später dann Utopia.«
    »Und jetzt?« Matthew Drax war wie vor den Kopf gestoßen.
    Er hatte erwartet, irgendwo in der Wildnis aus dem Zug zu steigen, in eine Höhle zu spazieren und diesen ominösen Strahl samt Aufzeichnungen der Alten besichtigten zu können.
    »Der Lift hält zwanzig Höhenmeter unter der Marsoberfläche an einer öffentlichen unterirdischen Taxilinie. Mit einem solchen Magnetschwebetaxi könnten wir ohne viel Aufsehens zur Grotte des Strahls aufbrechen. Sie liegt achtzehn Kilometer von Utopia entfernt.«
    »Aber der Fahrer…«, warf Matt ein.
    Chandra sah ihn erst verständnislos an, dann lachte sie.
    »Hier gibt es keine Fahrer; die städtischen Schweber gehören der Allgemeinheit. Sie müssen sich von Ihrem irdischen Denken lösen, Maddrax! Sie sind nun in einer fortschrittlichen Gesellschaft.«
    Matthew schluckte die Erwiderung, wie seine Einschätzung dieser »schönen neuen Welt« aussah, herunter. Dies war nicht der Zeitpunkt für einen weiteren Disput.
    »In der Umgebung der Grotte warten wir noch zwei oder drei Stunden«, fuhr Chandra fort, »und dann könnte ich Sie eventuell hineinführen, ohne dass uns jemand entdeckt. So weit mein Vorschlag. Sind Sie einverstanden?«
    »Wieso erst in zwei oder drei Stunden?«, wollte Drax wissen.
    »Dann erst wird es einigermaßen dunkel sein, was uns helfen dürfte.« Ihr fordernder Blick traf den Waldmann mit den weißen Multizöpfen.
    Schwarzstein warf einen Blick auf sein linkes Handgelenk, wo er Chandras PAC trug, und nickte. »Stimmt, in ungefähr drei Stunden ist es Nacht.«
    »Mit Einbruch der Dunkelheit ist der Zugang zur unmittelbaren Umgebung des Strahls für Besucher gesperrt«, erklärte Chandra. »Mir als wissenschaftlicher Mitarbeiterin des Rats stehen aber andere Eingänge offen als nur die offiziellen.«
    Sie räusperte sich, zog die Brauen hoch und bedachte die Waldmänner mit einem geringschätzigen Blick. »Und gewissen anderen Leuten auch.«
    »Wird es bewacht?«, fragte matt.
    »Nachts nicht besonders streng«, ergriff Schwarzstein das Wort. »Denn dann halten sich keine Städter mehr in der Grotte auf, die man davor beschützen muss, versehentlich in den Strahl zu stolpern. Es gibt ein Abkommen zwischen unseren Baumsprechern und dem Rat der Städter. Danach wird nach Einbruch der Dunkelheit nur noch Angehörigen des Waldvolks mit einer Sondererlaubnis Zugang zum Strahl und der Grotte gewährt. Dem Ersten Baumsprecher Sternsang zum Beispiel…«
    Er sah zu Windtänzer hinüber, der den Satz vollendete:
    »… und mir, seinem Schüler.«
    »Was heißt das?«, fragte Matt. »Pflegen Sie beide eine
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