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157 - Das Erbe der Alten

157 - Das Erbe der Alten

Titel: 157 - Das Erbe der Alten
Autoren: Jo Zybell
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werde ich ihn vernichten. Weil er meine Mutter getötet hat.
    Geschwindigkeit: 9 km/h. Sinkend. Zieldistanz: 800 m.
    Meine Mutter! Meine geliebte Mutter, meine geliebte Mutter, meine geliebte Mutter, meine geliebte Mutter…!
    Stopp.
    Das Ding hat angehalten. Sie steigen aus. Alle vier. Wohin gehen sie? Wo genau bin ich? Wie komme ich raus aus dieser Vakuumröhre?
    Geschwindigkeit: null. Ich habe einen Körper.
    Reibungskraft: null. Ich bin ein Körper. Luftfeuchtigkeit: nicht messbar. Ich bin wieder ein Körper. Aiko Tsuyoshi ist wieder ein Körper.
    Zieldistanz: null.
    (Lassen wir uns fallen, Aiko Tsuyoshi! Wir sind keine Spinne! Lassen wir das Gefährt los, lassen wir uns fallen und suchen den Aufstieg vorn in der Dunkelheit, irgendwo dort, wo sie gerade den Lift betreten…)
    Stopp.
    (Viel Glück, Aiko Tsuyoshi, viel Glück…!)
    ***
    »Sie haben die Zeugenaussagen gehört, aber ich kann sie gern noch einmal zusammenfassen, Herr… ähm…« Neronus Ginkgoson blieb vor dem Gefangenen stehen. »Herr…« Der Mann tat, was er schon die ganze Zeit tat, sieben Stunden inzwischen: er schwieg.
    Neronus Ginkgoson blickte sich um. An einem bogenförmigen Tisch saßen zwei Protokollanten vor ihren Schreibschirmen. »Felsspalter«. Der zweite Protokollant las den Namen von seinem Schirm ab. »Einfach nur ›Felsspalter‹, Herr Magister.«
    »Danke.« An der Tür warteten zwei Exekutivmänner. Etwas rechts vom Bogentisch saßen die Ratspräsidentin und Fedor Lux auf einer schwarzen Kunstledercouch. Cansu Alison Tsuyoshi hatte den Städtebauer zum Stellvertreter ihres derzeit verschollenen Beraters berufen. »Also… Felsspalter, hier noch einmal die Zeugenaussagen.«
    Der Waldmann mit dem kräftigen Körperbau und den langen grünen Locken stand zwischen den beiden anderen Exekutivleuten der Wacheskorte. Magister Neronus Ginkgoson selbst saß in einem hohen Sessel. Über dessen rechter Armlehne flimmerte ein D-Feld, das ihm die nötigen Informationen lieferte. Jetzt zum Beispiel die Zeugenaussagen.
    »Gemeinsam mit etwa zehn Männern und Frauen Ihres Volkes gingen Sie gegen Mittag des besagten Tages an Bord der Flower of Elysium . Sie trugen einen Käfig mit einem Vogel mit sich, bei dem es sich um einen Buschgellerhahn handelte. Nach übereinstimmender Aussage der Luftschiffbesatzung führte eine Frau namens Rosen das Wort in ihrer Gruppe, Ihre Zwillingsschwester, wie wir inzwischen wissen.«
    Schweigend und scheinbar ungerührt blickte der Waldmann über Ginkgosons Sessel hinweg zur Präsidentin. Der Magister fragte sich, ob er überhaupt zuhörte. Die ganze Zeit fixierte er Cansu Alison Tsuyoshi.
    »Statt nun, wie nach solchen Rundflügen üblich, die Flower of Elysium am Raumhafen wieder zu verlassen«, fuhr er fort, »wiederholten Sie und ihre Begleiter den Stadtrundflug, ja, buchten sogar einen dritten Flug. Kurz bevor das Luftschiff an der Mittelterrasse des Regierungsgebäudes andockte, um zum letzten Mal an diesem Tag Passagiere aufzunehmen, begann der Vogel im Käfig zu singen. Fluggäste und Besatzung beschrieben übereinstimmend eine hypnotische Wirkung, die von seinem Gesang ausging.«
    Der Mann mit dem seltsamen Namen Felsspalter zeigte keinerlei Regung. Er rührte sich nicht, er zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen stand er einfach nur da und starrte über Ginkgosons Sessel hinweg die Präsidentin an. Der Mann war dem Magister durchaus ein wenig unheimlich.
    »Während die Flower of Elysium andockte, versammelten sich mehr und mehr Fluggäste und Besatzungsmitglieder um Sie und Ihren… ähm… Ihren Vogel. Zeugen sagten aus, dass plötzlich der Erdmann Maddrax durch die Eingangsluke gestürmt sei, bewaffnet mit einem Neuronenblocker. Zu diesem Zeitpunkt befand sich einzig die Pilotin noch auf ihrem Posten, alle anderen Besatzungsmitglieder lauschten dem Gesang des Vogels. Der Erdmann…«
    »Hatten wir das nicht alles schon, verehrter Magister?« Aus dem Hintergrunde drängte die Stimme der Präsidentin. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn unterbrach.
    »Sicher doch, verehrte Dame Ratspräsidentin.« Neronus Ginkgoson blickte sich nicht nach ihr um. »Aber unsere Gesetze schreiben vor, einem Angeklagten jeden Anklagepunkt solange vorzutragen und zu erläutern, bis wir sicher sind, dass er ihn verstanden –«
    »Es ist in Ordnung, Magister Ginkgoson.« Dankenswerter Weise mischte Fedor Lux sich ein. »Machen Sie einfach Ihre Arbeit.« Eine mutige Parteinahme
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