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149 - Auf Messers Schneide

149 - Auf Messers Schneide

Titel: 149 - Auf Messers Schneide
Autoren: Bernd Frenz
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sie hier unten waren. Von Zeit zu Zeit holen sie hier nämlich Nachschub heraus.«
    Aiko drang tiefer in das Lager ein und sah sich um. Allzu lange wollte er nicht hier unten bleiben, denn bei vielen Kisten handelte es sich um ausgebaute Sprengköpfe, denen jede Bleiummantelung fehlte. Sicher war das Strahlungsniveau hier drinnen hoch genug, um eine Geigerzählernadel zum Tanzen zu bringen.
    »Leider ist mir immer noch nicht klar, wofür dieses Zeug gebraucht wird«, fuhr Navok mit seinem Monolog fort. »Wir konnten nur beobachten, dass die Daa'muren es in neue Behälter verstauen und in die Mitte des beinahe trocken gelegten Kratersees schaffen. Wozu das gut sein soll, ist uns ein Rätsel. Handelt es sich vielleicht um einen Schatz, den sie besser verstecken wollen?«
    »Nein, das meiste hier ist Sprengstoff. Genug, um alle Bunkerkolonien westlich des Kratersees in die Luft zu jagen.«
    »Sprengstoff?« Navok wusste diesen Ausdruck zu deuten.
    »Das ist doch gut. Wir benutzen einfach einen Zeitzünder, der alles vernichtet, während wir aus sicherer Entfernung zusehen.«
    »Nein, auf keinen Fall!«, wehrte Aiko ab. »Das ist nicht so wie bei diesem Sklavenspiel, von dem du mir erzählt hast, sondern zehntausend Mal stärker. Hier unten lagert so viel kritische Masse, dass eine Explosion irreparable Schäden nach sich ziehen würde. Der radioaktive Fallout wäre da nicht mal das Schlimmste – so weit ich sehen kann, sind das alles Gefechtsköpfe auf Basis Nuklearer Isomere – doch eine Explosion dieses Ausmaßes könnte sogar dazu führen, dass die Erde aus ihrer Umlaufbahn geworfen wird.«
    Navok hob den Kopf. Zum ersten Mal, seit er hier unten stand, drang der Laternenschein unter seine Kapuze und enthüllte sein vertrocknetes Nosferagesicht. Seine weißen Zähne blitzten unter den schmalen Lippen hervor, wie bei einem grinsenden Totenkopf.
    »Was hätte es für Folgen, wenn die Erde umgeworfen wird?«, fragte er nach einigem Zögern.
    »Das hängt davon ab, ob sie sich dabei von der Sonne entfernt oder näher an sie heran rückt. Im ersten Fall steht uns eine Eiszeit bevor, im zweiten eine alles verbrennende Gluthölle.«
    Mit einem scharfen Geräusch sog Navok Luft durch beide Nasenlöcher. Seine Augen begannen im Schein der Laterne zu glänzen.
    »Also doch«, stieß er hervor. »Es naht die Zeit, in der die Sonne wieder wächst, und nur der Sohn der Finsternis kann das Unheil von uns abwenden.«
    »Mmmhh… die Prophezeiung der Bluttempler passt tatsächlich perfekt ins Bild«, gestand Aiko, der nichts auf Vorahnungen gab, widerwillig ein. »Das ist wirklich seltsam.«
    Um den Aufenthalt in dem provisorischen Nuklearlager nicht unnötig auszudehnen, machte er sich auf die Suche nach brauchbaren Gegenständen. Auf ihren Raubzügen quer durch Euree hatten die Daa'muren alles zusammengeklaubt, was nach fusionsfähigem Material aussah, aber auch sonst mitgenommen, was irgendwie lohnenswert erschien. Aiko fand unter anderem eine Reihe von Industrielasern, technisches Gerät, Handfeuerwaffen und konventionelle Sprengsätze.
    In einer großen Kunststoffbox, deren Verschlüsse er mit seinen Plysteroxhänden mühelos knackte, lagen sogar drei Stangen Plastiksprengstoff, die mit einem digitalen Zeitzünder gekoppelt waren. Erstaunlich. Von genau so einem Ding hatte Navok eben noch gesprochen. Aiko verstaute die Bombe in der Beintasche seiner grünen Armeehose, obwohl er eigentlich nach einer weit reichenden Waffe suchte, mit der sich ein Mann aus sicherer Entfernung töten ließ.
    »Wir müssen uns sofort aufmachen und den Sohn der Finsternis warnen«, verlangte Navok aus dem Hintergrund.
    »Wenn du nicht dein ISS-Funkgerät weggeworfen hättest, wäre das auch ohne Abreise möglich«, stichelte Aiko.
    »Wäre es nicht«, gab Navok verstimmt zurück. »Es hatte seine Magie verloren, das habe ich dir doch schon erklärt.«
    »Wahrscheinlich war es nur ein kleiner Defekt, den ich hätte reparieren können«, hielt der Cyborg dagegen. »Aber das konntest du natürlich nicht wissen.«
    »Die Magie war unwiederbringlich verloren«, beharrte Navok auf seinem Standpunkt. »Du hättest sie sicher nicht erneuern können. Wenn du ein guter Heiler wärst, hättest du ja nicht dein eigenes Zauberkästchen verloren.«
    Aiko erstarrte.
    Nicht weil der Nosfera gerade gepunktet hatte, sondern weil in einer Kiste voller Fauststrahler etwas lag, das ihm verflucht bekannt vorkam. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und griff nach einem
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