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147 - Stunde X

147 - Stunde X

Titel: 147 - Stunde X
Autoren: Jo Zybell
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siebenunddreißig Jahre davon erlebt. Fünfhundertvier hatte er übersprungen.
    Die letzten fünfeinhalb Jahre, die Jahre in dieser dunklen Zukunft der Erde, kamen ihm im Rückblick dieser Nacht wie fünf Monate vor. Es waren seine intensivsten Jahre gewesen. Bei aller Mühe und allem Angstschweiß, den sie gekostet hatten, vielleicht sogar seine schönsten. Und das lag zum großen Teil an der Frau, die er liebte.
    Aruula…
    Oft sahen sie sich nicht in letzter Zeit. Zum Reden kamen sie selten. Intensive Gespräche wie früher? Schon lange nicht mehr.
    Aruula war viel mit sich selbst beschäftigt gewesen. Ihr verschollenes Kind, das die Daa’muren ihr noch vor der Geburt geraubt hatten, der Telepathenzirkel – das hatte sie viel Kraft gekostet. Nun ja, es gab eben Zeiten im Leben, da ging es nicht anders.
    Wenigstens war sie in der Nähe. Der Kreis der Telepathen – inzwischen in einem Stützpunkt am Kratersee stationiert – musste jetzt ohne sie auskommen. Die dreiundzwanzig mental begabten Verbündeten galten im Moment als die wichtigste Waffe gegen die Daa’muren. Mit Recht: Die Telepathinnen und Nosfera waren in zwei Schichten unablässig damit beschäftigt, mentale Impulse des Schmerzens, der Abscheu und des Schreckens auszusenden. Ein ziemlich lästiger Job, um es salopp auszudrücken; aber er störte die mentale Kommunikation der Außerirdischen entscheidend.
    Matthew Drax selbst war mit dem Krieg beschäftigt, und mit den Vorbereitungen auf den großen Kriegsrat, und auf die letzte Schlacht. So blieb nicht viel Zeit für die Liebe.
    Krieg. Sollte der Teufel ihn holen. Beziehungsweise Orguudoo, wie der Höllenfürst hierzulande und heutzutage genannt wurde.
    Vielleicht waren die zurückliegenden Nachtstunden für lange Zeit die letzten Stunden der Stille und der Einsamkeit gewesen.
    Bald schon würden die ersten Delegierten der Verbündeten eintreffen. Auf einen wartete er hier am Ufer der Themse. Und bald schon würde der Kriegsrat tagen.
    Der Silberstreifen am Horizont wurde breiter, der Lichthof um die Venus heller. Ein otterähnliches Tier glitt sechzig Schritte entfernt in die Themse und schwamm dem anderen Ufer entgegen. Ein großer Vogel schwebte tief über dem Strom dem nahen Schilf entgegen. Der Mann aus der Vergangenheit blickte stromabwärts. Nichts.
    An die Zukunft dachte Matthew Drax nicht. Zukunft bedeutete nicht mehr als eine Zeitspanne von höchstens vier Wochen. In vier Tagen begann die Kriegskonferenz der Allianz; vorausgesetzt, der große Knall kam ihnen nicht zuvor. Nach der Konferenz würde es Richtung Kratersee gehen; vorausgesetzt, der große Knall kam ihnen nicht zuvor. In drei Wochen, spätestens in vier, die letzte Schlacht; vorausgesetzt, der große Knall kam ihnen nicht zuvor. Vielleicht aber zündeten die Daa’muren ihre Bomben, von denen niemand zu sagen wusste, was genau sie eigentlich bewirken sollten, schon morgen; oder übermorgen.
    Zukunft?
    Wir sollten uns Zeit für den Abschied nehmen, dachte Drax.
    Wenigstens für den Abschied…
    Aus den Augenwinkeln nahm er das grünliche Leuchten im Wasser wahr. Er sah genauer hin: Ein diffuser Lichtschimmer unter der Oberfläche schwamm aus östlicher Richtung heran. Er wanderte stromaufwärts, leuchtete intensiver, glitt näher.
    Matthew Drax stand auf. Endlich kam der, auf den er gewartet hatte. Er fasste den grünlichen Lichtfleck ins Auge, konzentrierte sich und dachte: Hierher, mein Freund, hier bin ich…
    Der Schimmer wuchs, und mit ihm die Welle, die er vor sich her schob. Hinter ihm entstanden Wirbel, hinter ihm schäumte das Wasser. Näher und näher kam er, und endlich tauchte die Lichtquelle auf: eine mächtige Qualle.
    Einen knappen Meter wölbte sich ihr Rücken nun über der Wasseroberfläche. Den größten Teil ihrer Masse verbarg der Strom. Ein Wulst entstand an ihrer dem Ufer zugewandten Seite. Wie Lippen eines großen Mundes kräuselte sich der Wulst und öffnete sich schließlich. Eine kleine Gestalt kroch aus ihm hervor, sah sich kurz um und winkte, als sie Matthew Drax entdeckte. Dann glitt sie aus der Qualle in die Themse.
    Sekunden später tauchte sie im seichten Uferwasser auf.
    Drax streckte seine Hand aus und half ihr aus dem Strom.
    »Ich freue mich, dich zu sehen, Quart’ol. Wie geht es dir?«
    »Wie kann es einem denkenden Wesen gehen in Zeiten wie diesen, Maddrax? Ich mache mir viele Sorgen, genau wie du.«
    Quart’ol war nicht größer als hundertdreißig Zentimeter. Sein weitgehend schuppiger
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