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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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ertrank. Pitt widersetzte sich als Kind bereits bei ihm auferlegten Maßregeln. Er war ein Dickkopf mit liebenswerten Eigenschaften.
    Ich teile mein Leid mit meiner Tochter Gretchen, die mit einem Bauern verheiratet ist. Meine Enkel lenken mich ab. Marie, die Geliebte meines
     Sohnes, hat lange um Pitt getrauert und später den Kolonialwarenladenbesitzer in unserem bescheidenen Ort geheiratet. Mir geht es gut. Ich lebe in dem
     einfachen Haus mit Garten gegenüber von der Kirche, ohne Schulden, im christlichen Glauben. Die Bezüge der Seegenossenschaft halten existenzielle Sorgen
     von mir fern. Mein unvergesslicher Sohn Pitt besaß diese Uhr. Daran gibt es nichts zu zweifeln. Mein Vater, Pitts Großvater, gemeint ist Hidde Meemke,
     Kapitän auf der Schonerbrigg »Votan«, strandete 1863 auf Öland in Schweden. Er hinterließ Pitt die Uhr, auf die Pitt sehr stolz war. Hinzu kommt, dass sie
     ja wertvoll ist. Sehr geehrter Herr Kapitän, Ihr Brief rüttelte mich auf. Ich ging davon aus, dass Pitt die Uhr bei sich trug, als er von Bord ins Wasser
     stürzte und ertrank. In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an einen Viertel-Briefbogen, den ich in seinem Seemannspass fand. Es handelt sich um eine
     Art »Schuldschein«, dem ich entnehme, dass Pitt einem nur mit den Abkürzungen genannten »J.T.« fünfzig Mark ausgeliehen hat. Ich hielt es nicht vonnöten,
     ihn aufzubewahren. Mein Vater, mein Mann und auch mein Sohn Pitt ertranken und fanden den Seemannstod.Ich bedanke mich für Ihre Zeilen
     und verbleibe ehrerbietigst
    Ihre
    Katharina Luttmann
     
    Der Brief ging ihm zu Herzen. Seine Hände zitterten, während er ihn bedächtig faltete und in das Kuvert steckte.
    Betten füllte Tee nach, gab Zucker und Sahne hinzu, nahm einen kräftigen Schluck zu sich, schabte mit dem Besteck die Asche aus dem Pfeifenkopf und
    hängte die Pfeife zu den anderen an den Haken des Haltebrettes, das seitlich die Wand zierte. Er erhob sich, trat ans Fenster und blickte auf den
    Dünenkamm. Der Wind strich über den Strandhafer. Regen fiel vom grau verwaschenen Himmel. Er vernahm die Schläge der Pendeluhr.
    Der Kapitän erinnerte sich an den friedlichen Morgen an Bord der Santana auf der Reise von Rio de Janeiro nach Pernambuco. Pitt Luttmann wurde
    vermisst. Sein Leibriemen wurde auf der Back gefunden. Um dem Matrosen beizustehen, ihn aus höchster Seenot zu retten, hatte er dem Steuermann befohlen, das
    Schiff zu wenden und in entgegengesetzter Richtung zu segeln. Sie kamen zu spät, Pitt war bereits ertrunken. Nur das zerknüllte Zeitungspapier, das er für
    die Reinigung nach seiner Notdurft benutzt hatte, trieb auf sanften Wellen und markierte die ungefähre Unglücksstelle.
    Ein scheußlicher Tod mit dem Blick auf das davonsegelnde Schiff, das ihm zur Heimat geworden war. Nur der Koch hatte den letzten verzweifelten Hilferuf
    des Unglücksraben vernommen. Er glaubte die Stimme des Steuermannes gehört zu haben.
    Der Kapitän lachte verächtlich. Er dachte an den harten,befehlenden Ton in der Stimme seines Steuermannes, verließ das Fenster und
     holte aus dem Schrank den Karton. Er fand das Foto, das seine Mannschaft in Rio de Janeiro vor der Santana zeigte. Er steckte es in einen Umschlag, fügte
     den Brief der Witwe Luttmann hinzu, blies das Teelicht aus, zog im Korridor den langen Wettermantel über, setzte seine Prinz-Heinrich-Mütze auf, griff zum
     Schirm und verließ das Haus.
    Habe ich versagt?, fragte er sich vorwurfsvoll. Mit ernstem Gesicht schritt er durch den Regen, den Blick gerichtet zur Badestraße, und betrat den Laden des Krämers Heye Fisser, der sich über den aufgeregten Kunden wunderte.
    Fisser nahm den Schirm entgegen, stellte ihn in den Ständer und blickte in das von Zorn gerötete Gesicht des Seefahrers.
    »Die Taschenuhr?«, fragte er, sich anbiedernd.
    »Die auch!«, antwortete der Kapitän schnippisch.
    Er entnahm dem festen Umschlag, der Regenspuren zeigte, das Foto und hielt es mit zitternder Hand Fisser entgegen.
    »Schauen Sie genau hin! Meine Mannschaft vor meinem Schiff!«, forderte er den Krämer auf.
    Fisser nahm das Foto in die Hand.
    »Wegen der Uhr?«, fragte er beunruhigt, in der Befürchtung, Diebesgut an den Kapitän verkauft zu haben. Er trat hinter den Verkaufstresen, entnahm der Schublade eine Lupe, hielt sie über das Foto und betrachtete die Männer, die Troyer und Seemannshosen trugen. Ihm stockte der Atem. Er vergewisserte sich mit einem zweiten Blick durch die Lupe.
    »Der
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