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Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Titel: Dämmerung in Mac's Place (German Edition)
Autoren: Ross Thomas
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1
    Kurz nach dem Tod des gescheiterten Quäkers Steadfast Haynes erhielt die Central Intelligence Agency telefonisch eine so sorgsam verschleierte und höflich gemurmelte Erpressungsdrohung, daß sie als das Werk eines harmlosen Spinners hätte mißverstanden werden können.
    Doch sie wurde nicht mißverstanden. Und es lag allein an dieser vagen Drohung, zu offenbaren, was Haynes wirklich getan hatte, als er als gelegentlicher Söldner der Agency in Afrika, im Nahen Osten, in Mittelamerika und Südostasien diente, daß das Verteidigungsministerium nach viel Murren dem Druck der CIA nachgab und die Army anwies, ihn auf dem Nationalfriedhof von Arlington mit den üblichen militärischen Ehren beizusetzen.
    Steadfast Haynes war siebenundfünfzig, als er am 19. Januar, der Nacht vor der Amtseinführung des einundvierzigsten Präsidenten des Landes, um 23.32 Uhr starb. Er starb im Bett im dritten Stock des Hay-Adams Hotels in einem Zimmer zu 185 Dollar die Nacht, das über einen prächtigen Blick auf das Weiße Haus verfügte. Er starb ruhig, geradezu diskret, ganz so, wie er gelebt hatte, und die dreiunddreißig Jahre alte Frau, die neben ihm lag, als er starb, war eine frühere Korrespondentin der Agence France-Presse und alte Freundin, die genau wußte, wer anzurufen und was zu tun war.
    Ihr erster Anruf ging nach Paris und dauerte wenig länger als vier Minuten. Ihr zweiter Anruf ging zur Rezeption, um dem Hotel mitzuteilen, daß Haynes tot war. Ihr dritter Anruf ging an das Dezernat für Raub- und Mordfälle beim Los Angeles Police Department.
    Nachdem dieser dritte Anruf endlich zu Sergeant Virgil Stroud durchgestellt war, gab sie sich zu erkennen und fragte in förmlichem Ton und mit leichtem Akzent nach Detective Granville Haynes, um ihn über den Tod seines Vaters zu informieren.
    »Gar nicht schlecht«, sagte Sergeant Stroud.
    »Bitte?«
    »Na ja, gestern hat einer hier angerufen, vielleicht auch vorgestern, der mußte mit Granny reden, weil er Grannys eineiiger Zwillingsbruder war und an Leukämie starb und eine Knochenmarktransplantation brauchte.«
    Nach kurzem Zögern sagte sie: »Es gibt keinen Zwillingsbruder.«
    »Ja. Weiß ich. Aber Sie wären überrascht, was die Leute alles sagen, um an ihn ranzukommen.« Diesmal war es Sergeant Stroud, der zögerte. »Oder vielleicht wären Sie’s auch nicht. Überrascht, meine ich.«
    »Irgendwas ist mit ihm passiert – ist es das?«
    »Ja, ganz richtig. Er hat vor drei Wochen im Lotto gewonnen und uns am nächsten Tag verlassen.«
    »Trotzdem brauche ich seine Privatnummer.«
    Sergeant Stroud sagte leise lachend »Wiederhören« und beendete das Gespräch.
    Als das Los Angeles Police Department der Dienste Granville Haynes’ durch eine Schicksalsfügung beraubt wurde, wurde sie zugleich ihres einzigen Detectives im Morddezernat mit einem Magister in Altfranzösisch von der University of Virginia beraubt, wo er seine Abschlußarbeit über die drei wesentlichen humanistischen Aspekte in Rabelais’ Gargantua und Pantagruel geschrieben hatte.
    Nachdem er es zum Detective gebracht hatte, wurde Haynes häufig mit den gelegentlichen Mordfällen unter den reichen Leuten in Bel Air, Brentwood und sogar im weit westlich gelegenen Pacific Palisades betraut, wo, so meinte man, die üblicherweise wohlhabenden und oftmals einflußreichen Verwandten der Opfer durch sein kompetentes Auftreten beruhigt und durch seine tadellosen Manieren getröstet würden, die manche mit Schüchternheit verwechselten.
    Haynes hatte eine seltsame Kindheit unter den ganz Reichen an der französischen und italienischen Riviera verbracht und kannte sich folglich mit ihren merkwürdigen Bräuchen und Tabus nicht nur gut aus, sondern war ihnen gegenüber auch zurückhaltend. Diese Kenntnis, im Kindesalter mühelos erworben, ermöglichte ihm später, sich wie einer der beinahe Gesalbten unter ihnen zu bewegen – fast so als ob sie ihm einmal vor langer Zeit eine vorübergehende Gastmitgliedschaft gewährt hätten, die zu beenden nie jemandem in den Sinn gekommen war.
    Haynes hatte seinen falschen Passierschein ins Land der Reichen ohne jede Ermutigung – oder auch Entmutigung – seines Vaters erworben, der es sich zur Regel gemacht hatte, seinem Sohn niemals unerwünschten Rat zu erteilen, außer einmal im Jahre 1974, als Steadfast Haynes, damals dreiundvierzig, in Washington eine kurze Predigt gehalten hatte. Der Anlaß war der achtzehnte Geburtstag seines Sohnes gewesen, und die Predigt hatte
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